KAFFEEKLATSCH
- „Schrannenwirt“ Jürgen Häuslmann spricht hier ausführlich über seine Erfahrungen und Erlebnisse als Cafétier in der Innstadt
Herr
Häuslmann, zwei Jahre führen Sie die Geschicke der „Schranne“ im Rathaus. Gibt es schon ein Resümee?
Die Entscheidung, von der „Brandmühl“ nach Wasserburg gewechselt zu haben, bereuen wir nicht. Im Gegenteil: Die Erwartungen, die wir in dieses Café gesteckt haben, wurden mehr als erfüllt. Was bei der Umsetzung unserer Ideen von
großem Vorteil war, sind die Erfahrung und die Liebe zum Beruf, die sowohl meine Frau als auch mich mit der Gastronomie verbinden. Im Grunde genommen ist der Arbeitsablauf ja derselbe, wir arbeiten nur mit anderen Materialien. Unsere
Anforderungen an Qualität sind hier ebenso hoch, wie seinerzeit in unserem
Restaurant.
Ein Wort zur Geschichte: Seit wann gibt es
Konditoren?
Die Geschichte der Konditoren begann bei den Privilegiertenständen des
Mittelalters. Was uns heute den Alltag versüßt, war früher einmal Luxus, der wenigen Begüterten vorbehalten war. Die „Zuckerbäckerei“ wurde vornehmlich in Klöstern, an Fürstenhöfen und in wohlhabenden Häusern betrieben: Zucker, seinerzeit über Venedig und Genua aus dem Orient herangeschafft, war außerordentlich
teuer.
„Konditorei“ und „Café“ sind zwei Begriffe, die
zusammengehören. Das hat welchen Ursprung?
Mit wachsendem Wohlstand wurden einst Kaffee und Kuchen des Konditors
populär; das „Konditern“ entwickelte sich zur Volksbewegung und bald schon bekam das Café eine gesellschaftliche Funktion: hier trifft man sich, hier werden
Neuigkeiten besprochen und Meinungen diskutiert. In den renommierten
Großstadtcafés sitzen berühmte Gäste - Maler, Literaten, Musiker, Journalisten und auch Politiker. Wedekind, Ibsen, Valentin, Ganghofer hatten beispielsweise ihr
Stammcafé in München; Heine, E.T.A. Hoffmann, Döblin, Tucholsky hatten das ihre in Berlin. Aber auch in der Provinz, wo die Namen weniger berühmt sind, ist ein Café eine gefragte Einrichtung - ob man hier nun die köstlichen Backwerke für die häusliche Bürgertafel kauft, oder an Ort und Stelle eine genüssliche Stunde
ver- bringt.
Ein gut geführtes Café ist demnach auch ein multikultureller
Treffpunkt.
Nicht nur das. Für viele ist es oftmals eine ruhige Oase inmitten einer hektischen
Welt.
Wirtschaftlich gesehen bestimmt auch lohnenswert. Trotzdem: die Zahl der in die Handwerksrollen eingetragenen Betriebe ist unverändert rückläufig. Woran liegt das Ihrer Meinung
nach?
Wir sind heute doppelt gefordert. Während wir uns früher
hauptsächlich darauf konzentrieren konnten, unsere Kunden mit immer neuen und besseren Produkten überraschen zu können, sehen wir uns heute immer stärker gefordert, sehr viel Zeit für Verwaltungsarbeiten zu verwenden. Arbeitszeit im Sinne
unternehmerisch- er Produktivität und Kreativität bleibt da kaum noch, der Druck wird ständig
größer. Dass da einige Betriebe nicht mehr mitkommen, ist leider eine traurige
Tatsache.
Was sind die Eigenschaften eines guten Cafétiers?
Ein guter Cafétier ist eine Symbiose aus hohem Qualitätsanspruch, exakter
Betriebsführung, Kundenorientierung und Menschenfreundlichkeit.
Worauf kommt es Ihrer Meinung nach
an?
Die Führung eines modernen Betriebes erfordert heute von jedem Gastronomen neben
guten praktischen Kenntnissen vor allen Dingen wirtschaftlichen Sachver-
stand. Gastronomiebetriebe, die sich erfolgreich am Markt behaupten wollen, müssen markt-, kunden- und
kostenorientiert denken und handeln. Dabei ist das entsprechende Know-how in der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung
mittlerweile genauso unverzichtbar, wie handwerkliches Können. Gastronomen müssen auch bereit sein, Neues zu
kreieren und, die Wünsche der Gäste stets vor Augen, einen Beitrag zu leisten für absoluten
Genuss.
Hat das Rauchverbot Gäste
verschreckt?
Wir waren schon vorher ein Nichtrauchercafé und hatten damit eine gute
Entscheidung getroffen.
Was hat sich hier unter Ihrer Leitung geändert?
Wir haben Wert darauf gelegt, die Räumlichkeiten freier, offener und heller zu gestalten. Auch ist es so, dass die gesamte Belegschaft wesentlich jünger ist als in der Vergangenheit. Der Gast hat heute eher das Gefühl, sich in einem
modernem Café zu befinden, ohne dabei auf Tradition verzichten zu müssen und ohne das Gefühl zu verspüren, einem Trend ausgeliefert
zusein.
Die Zahl der Gastronomiebetriebe am Marienplatz ist in den letzten Jahren
ständig gewachsen, Kaffee gibt es so gut wie überall. Was unterscheidet Sie von
anderen?
Zunächst darf ich klarstellen, dass sowohl meine Frau als auch ich kein
Konkurrenzdenken kennen. Wir pflegen ein harmonisches Miteinander zu anderen Gastronomen. Natürlich ist klar, dass jeder auf seine Weise versucht, die Gäste dazu zu bewegen, wiederzukommen. Wir versuchen das über drei Begriffe: Qualität, Qualität, Qualität.
Woraus setzt sich Qualität zusammen?
Kurz gesagt: Qualität und Genuss brauchen wenige Zutaten, es müssen nur die richtigen
sein.
Definieren Sie das doch lieber mal näher.
Unser gesamtes Angebot im Brot-, Kuchen- und Pralinen-Bereich sind Produkte ohne Farbstoffe oder andere künstliche Zusatzstoffe. Es werden auch keine
Backfertigmischungen verwendet. Genauso wenig kommen bei uns Aufbackprodukte zum Einsatz. Alles ist zu einhundert Prozent in hervorragender handwerklicher Arbeit hergestellt. Neben der Qualität unserer Produkte setzen wir auch auf Qualität bei der Suche nach Ideen im Veranstaltungs-Bereich. So unterhält an jedem Donnerstagnachmittag ein Klavierspieler unsere Gäste, wir veranstalten Abendvorstellungen, zum Beispiel Klavierabende mit dem bekannten
Wasserburger Pianisten Peter Ludwig, und hin und wieder geben hier auch Jazz-Bands Konzerte. So ganz einfach fiel uns der Abschied von unserem Restaurant auch nicht, deshalb präsentieren wir hier ab und an auch Menüabende - oftmals mit musikalischer
Begleitung.
Produktqualität kann sicherlich nur ein Teil des Erfolgsrezeptes sein, wie wichtig ist das
Ambiente?
Sehr wichtig. Der Gast muss sich wohl fühlen, fast wie zu
Hause. Und damit das so bleibt, muss natürlich ständig investiert werden - nicht nur mit Geld, sondern auch mit Ideen. Das machen wir, denke ich, sehr vorbildlich und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Welche Gäste
kommen?
Die Klientel ist schon sehr unterschiedlich. Was das Alter betrifft durften wir
fest- stellen, dass sich in unserem Café problemlos drei Generationen treffen -
unab- hängig von deren Herkunft.
Kommen wir zur Geschichte des
Hauses.
In unseren Räumlichkeiten befand sich seit etwa dem Jahr 1370 schon immer die
Schranne, also der Ort, an dem mit Getreide gehandelt wurde. Gleichzeitig war es auch das Brothaus, die Stätte, an der die Bäcker seinerzeit ihr Brot abliefern mussten, weil sie es ja selber nicht verkaufen durften. Das ganze Procedere hatte der Brothüter unter sich, der das Brot im Auftrag der Bäcker an den Bürger zu bringen hatte. Zugleich hatte der Brothüter auch die Funktion der
Qualitätssicherung inne, was sich nicht nur auf die Zusatzstoffe, sondern auch auf die Größe des jeweiligen Brotes bezog. Dies hatte auch den Vorteil, dass Brot in Notzeiten
rationiert werden konnte, wenn es aufgrund schlechter Ernten oder Getreideeinbußen erforderlich war. Mit Übernahme des Cafés haben wir hier die Tradition des
Brot- handels wieder aufgegriffen, allerdings mit dem Unterschied, dass wir nur unser eigenes Brot
verkaufen.
Sie führen das Café zusammen mit Ihrer Frau - wie haben sie ihre Kompetenzen
aufgeteilt?
Meine Frau ist für die Produktion unserer angebotenen Waren zuständig, ich
be- finde mich zum großen Teil an der Ausgabe sowie auch mal im Service. Die Fragen des betriebwirtschaftlichen Ablaufs teilen wir uns. Unterstützt werden wir bei
unserer Arbeit von einer Konditormeisterin, einer Bäckermeisterin und einem Bäcker. Unsere kleine Brigade ist so flexibel, dass einer dem anderen immer zur Seite steht, wenn es notwendig
ist.
Die Zusammenstellung Ihrer
Produktpalette.
Wie gesagt, Torten, Kuchen, Brote sowie Bruchschokolade und Pralinen sind der wesentliche Teil unserer Produktpalette. Sie wird noch ergänzt durch verschiedene Süßigkeiten für den kleinen Hunger, und zur Mittagszeit servieren wir ein täglich wechselndes Gericht zu einem günstigen Preis. Besonderes Augenmerk legen wir auf unser ausgesuchtes Weinsortiment. Ich bin zwar kein gelernter Sommelier, habe mir aber aufgrund meiner Ausbildung und meines persönlichen Interesses ein überdurchschnittlich fundiertes Wissen aneignen können. Noch ist es allerdings so, dass wir unsere hervorragenden Weine größtenteils im Straßenverkauf
absetzen, in Zukunft möchten wir unsere Gäste hier aber verstärkt darauf aufmerksam machen. Zu unserer Produktpalette gehören auch verschiedene
Frühstücksvariationen.
Zur Zeit herrscht Aufbruchstimmung in der deutschen Wirtschaft. Dringt das schon bis Wasserburg
durch?
Na ja, eine alte Regel besagt zwar „Gegessen wird immer“, aber in den letzten Jahren hat sich einerseits die Konkurrenzsituation, andererseits auch das
Kauf- verhalten der Kunden wesentlich verändert. Die Verbraucher sind ständig auf der Suche nach Schnäppchenpreisen, vergleichen dabei Äpfel mit Birnen. Ich habe den Eindruck, dass sich viele Menschen lieber ungesund ernähren, bevor sie ein Qualitätsprodukt kaufen, dass natürlich seinen Preis kostet. Wir versuchen da etwas aufzuklären.
Wird für Sie ein Kampf gegen Windmühlen
werden.
Mag durchaus stimmen, aber Beharrlichkeit war schon immer eine Tugend für mich. In Sachen Qualität kenne ich definitiv keine
Kompromisse.
Wie sehen Sie den Wirtschaftsstandort
Wasserburg?
Gespalten. Die Einkaufsmöglichkeiten verlagern sich von der Altstadt in die Außenbezirke.
Wem geben Sie die Schuld dafür?
In erster Linie dem Verbraucher, aus genannten Gründen. Aber es ist auch so, dass die Stadt zwar ein wunderschönes Ambiente bietet, dieses aber zu
wenig zur Geltung kommt. Das veränderte Kaufverhalten bringt es dann auch noch mit sich, dass die Masse lieber im Großmarkt seinen Einkaufswagen durch die Gänge schiebt. Von Einkaufsvergnügen kann man da kaum sprechen. Einkaufen gehen hieß früher auch, Kontakte zu knüpfen. Selbst wenn das etwas nostalgisch klingt: irgendwie vermisse ich das und eigentlich wünsche ich mir oft die „gute alte Zeit“ zurück. Die Hektik, die jetzt unser Leben beherrscht, lässt uns kaum noch Zeit, die kleinen Dinge des Lebens zu genießen. Ich führe ein Café und ich weiß, wovon ich spreche. In den Gesprächen mit meinen Gästen kommt das auch immer wieder zur
Sprache.
Wie sehen Sie die
Zukunft?
Jeder ist seines Glückes Schmied. Sicher sind Standortfragen entscheidend, aber wer sich mit seiner Ware vom üblichen Einerlei abhebt, wer auf Qualität, Auswahl und Service setzt, der wird meiner Meinung nach auch erfolgreich
bleiben.
Ist es nicht auch so, dass viele Ungelernte den Berufsstand der Gastronomie
negativ
beeinflussen?
Und ob! Gott sei Dank sperren die aber auch genau so schnell wieder zu, wie sie aufgemacht haben, weil sie die geforderten Qualitätsnormen nicht erreichen.
Was machen Sie mit Ihrem Geld, um Spaß zu
haben?
Viel wichtiger als Geld ist Zeit. Wir haben ein noch relativ kleines Kind, und dem ist die Zeit, die wir mit ihm verbringen, wichtiger als alles andere. Sekundär kostet das natürlich auch Geld, weil man da auch mal Arbeitszeit verliert. Aber meine Frau und ich sind uns hier sehr einig, dass das Verhältnis zu unserem Kind immer Priorität genießen muss. Man darf den Wert des Geldes als Unternehmer in der heutigen Zeit natürlich nicht ganz hinten anstellen. Es ist schon so, dass wir
unseren Lebensunterhalt und den unserer Mitarbeiter mit diesem Café verdienen müssen.
Was ist für Sie der Sinn des
Lebens?
Den sehe ich darin, mit Freude jeden Tag zu genießen, kreativ zu sein und das Umfeld positiv zu
beeinflussen.
Gibt es noch ein berufliches
Traumziel?
Ein Traumziel im klassischen Sinne gibt es nicht. Ich wäre schon froh, wenn sich der Erfolg verfestigt und alles insgesamt etwas leichter und liebenswerter
entwickelt.
Ein privates
Traumziel?
Das lassen wir mal außen
vor.
Ein Blick in die
Zukunft.
Meine Frau und ich fühlen uns durchaus wohl mit dem bisher Erreichten. Für die Zukunft wünschen wir uns eigentlich nur, dass der Erfolg des Unternehmens
weiterhin positiv geprägt ist, und dass wir uns individuell um unsere Gäste kümmern können. Der schnelle Euro ist nicht unser Geschäft, ich habe das hoffentlich im Rahmen dieses Gespräches ausreichend vermitteln können.
Sind die Arbeitszeiten in der Gastronomie mit ein Grund für mangelnden
Nachwuchs?
Sicherlich sind sie mit ein Grund dafür, aber es ist auch so, dass die Gastronomie zur Zeit einfach nicht im Focus der
Auszubildenden steht.
Welche Erwartungen stellen Sie an Ihre
Mitarbeiter?
Unsere Gäste erwarten ein hohes Niveau, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und fachliche Qualifikation. Von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit will ich gar nicht erst reden, das setze ich voraus. Diese Erwartungen gebe ich an meine Mitarbeiter
weiter.
Dazu gehört natürlich, dass man auch mal
abschaltet.
Sicherlich ist es so, dass man als Unternehmer ständig mit den Problemen seines Unternehmens konfrontiert wird, aber wir haben das relativ gut im Griff.
Kann man Ehe und Beruf voneinander trennen, wenn man zusammen
arbeitet?
Nein, das kann und das sollte man auch nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht: wenn es in der Ehe funktioniert, dann klappt es auch im Beruf - und umgekehrt. Zum Glück haben meine Frau und ich die selben Zielvorstellungen, sowohl in der Ehe als auch im Beruf. Und bei uns ist alles wirklich so harmonisch, wie es nach außen hin aussieht. Wir ergänzen uns beruflich und in der Ehe - und das ist für mich das Entscheidende im
Leben.
Herr Häuslmann, besten Dank für das Gespräch.
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