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LARS HELMREICH

Geschäftsführer der RT-Reisen
Edition: Burghausen 2010

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Wohin geht die Reise? Das Thema Tourismus ist überaus komplex und man kann es von vielen Seiten betrachten. Hier zum Beispiel aus Sicht von Lars Helmreich, einem der Geschäftsführer der RT-Reisen GmbH

 

Herr Helmreich, zusammen mit Thomas Bösl leiten Sie die Geschäfte von RT-Reisen. Beschreiben Sie doch mal die Aufgaben des Unternehmens.

Die Raiffeisen-Tours RT-Reisen GmbH ist ein mittelständisches touristisches Unternehmen mit Sitz in Burghausen, Hauptgesellschafter ist die VR meine Raiffeisenbank Altötting-Mühldorf eG. Unter dem Dach der RT-Reisen GmbH befinden sich zahlreiche Sparten der Reisevermittlung und Reiseveranstaltung sowie die Reisebürokooperation RTK, die mit derzeit über 2300 Partnerbüros zu den größten ihrer Art in Europa zählt. An 13 Standorten in Südostbayern sind derzeit über 160 Mitarbeiter beschäftigt, davon mehr als 80 in unserer Zentrale in Burghausen. Mit unseren 13 eigenen Reisebürofilialen sind wir in dieser Region auch einer der größten Anbieter in dieser Branche.

Wo befinden sich Ihre Filialen?

Neben Burghausen, Neu- und Altötting, Burgkirchen und Mühldorf findet man uns auch in Brannenburg, Ebersberg, Garching/Alz, Markt Schwaben, München, Prien, Traunstein und Waldkraiburg.

Die wirtschaftlichen Aussichten haben sich verdunkelt. Inwieweit betrifft dies auch Ihre Branche?

Natürlich hat die Wirtschaftskrise auch unsere Branche getroffen. Im vergangenen Jahr sind demzufolge die Umsätze nach unten gegangen, für 2010 ist aber eine Konsolidierung festzustellen. Die Umsätze steigen wieder, weil auch die Reiselust unserer Kunden wieder angestiegen ist.

Ist der Kurztrip im eigenen Land die Antwort der Deutschen auf die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit?

Der Trend der letzten Jahre hat sich weiter fortgesetzt, in dem zwar öfters im Jahr verreist, dafür aber die Reisezeit verkürzt wird. Früher war es so, dass man einmal im Jahr zwei bis drei Wochen an einem Stück in den Urlaub fuhr, heute setzt man zwei- bis dreimal im Jahr auf durchschnittlich einwöchige Reisen. Diese Kurzurlaube bestehen zum Beispiel aus Städtereisen oder auch aus Erholungsaufenthalten in so genannten Wellnesshotels. Die Kurztrips sind jedenfalls adäquate Alternativen zum früheren Urlaubsverhalten und werden immer häufiger nachgefragt.

Kürzer, billiger, gesünder - sind das die neuen Urlaubtrends?

Die Frage kann man so pauschal nicht beantworten, denn „billiger“ ist relativ. Man kann allerdings schon sagen, dass die Aufenthalte in den Wellnesshotels bereits einen sehr hohen Stellenwert einnehmen. Die Menschen legen immer mehr Wert auf Gesundheit, dementsprechend haben sich neben dem Ernährungsverhalten auch die Freizeitaktivitäten verändert, was zu erhöhten Buchungszahlen im Wellnessbereich geführt hat. Allerdings hat auch ein qualitativ gutes Wellnesshotel seinen Preis.

Jahrzehntelang waren die Urlaubsrenner Spanien und Mallorca, wohin geht jetzt die Reise, welche Trends zeichnen sich ab?

In diesem Jahr sind vor allem Reiseziele in der Türkei gefragt, aber auch Ägypten hat wieder Zuwächse zu verzeichnen. Spanien und hier insbesondere Mallorca sind als Reiseziel aber immer noch stark gefragt.

Der Urlauber wird in seinen Wünschen unberechenbarer. Er entscheidet sich kurzfristiger. Das Zimmer mit Meeresblick ein halbes Jahr im voraus buchen - wer will das eigentlich noch?

Auch wenn sich die Reisedauer in den letzten Jahren verändert hat, die Pauschalreise im klassischen Sinne ist nach wie vor gefragt. Sie erlebt schon seit längerer Zeit eine gewisse Renaissance, indem neue Anreize zur Buchung geschaffen wurden. Die Veranstalter werben beispielsweise mit attraktiven Frühbucherrabatten, aber auch mit der Tatsache, dass demjenigen, der früh bucht, immer auch die volle Auswahl aus dem angebotenen Programm vorliegt.

Haben die Reiseveranstalter den Deutschlandurlaub in den letzten Jahren vernachlässigt? Hier buchen doch 80 Prozent der Touristen auf eigene Faust.

Ja, ein wenig schon. Mittlerweile haben die Reiseveranstalter aber erkannt, dass auch die Nachfrage nach so genannten erdgebundenen Reisen zugenommen hat und diese jetzt in ihren Katalogen wesentlich umfangreicher angeboten und auch besser taxiert werden. Einige Anbieter haben sogar eigene Kataloge für den Urlaub in Deutschland herausgegeben, um der ständig wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. 

In manchen deutschen Urlaubsgebieten scheint die Zeit vor30 Jahren stehen geblieben zu sein. Was muss sich ändern?

Es ist schon richtig, dass in einigen traditionellen deutschen Urlaubsgebieten die Zeit ein wenig stehen geblieben ist. Es gibt allerdings mittlerweile viele gute Beispiele: Urlaubsregionen haben sich mit anderen zusammengeschlossen, vermarkten sich jetzt gemeinsam und können dadurch eine größere Reichweite schaffen. Auch werden mittlerweile verstärkt so genannte All-Inclusive-Karten angeboten, die zahlreiche Preisvorteile bieten und zusätzliche Leistungen im jeweiligen Urlaubsort inkludieren. 

Wie lange können sich Reisebüros der Konkurrenz von direkten Buchungen bei Veranstaltern, Fluggesellschaften und Hotels im Internet erwehren?

Diese Frage wird mir seit Jahren immer wieder gestellt. Natürlich bedeutet der Direkt- und Internetvertrieb auch für uns eine gewisse Konkurrenz und wir beobachten diese auch sehr genau. Wie wichtig aber der persönliche Kontakt zu einem Reisebüro ist, hat sich erst vor kurzem, als die Aschewolke den Flugverkehr in fast ganz Europa lahm gelegt hat, gezeigt. Da standen plötzlich auch die Menschen in unseren Büros, die immer davon sprechen wie günstig sie im Internet gebucht haben. Ich denke, da haben einige sehr schnell festgestellt, wie wichtig es doch ist, einen persönlichen Ansprechpartner zu haben, der in solchen Situationen weiterhelfen kann. Insofern gehen wir ganz klar davon aus, dass der stationäre Reisevertrieb auch weiterhin gut überleben wird. Wir achten auch sehr darauf, dass der Reisebürovertrieb weiterhin attraktiv bleibt. So sind wir zukünftig Payback-Partner. Dies bedeutet, dass man in unseren Reisebüros beziehungsweise in den teilnehmenden RTK Büros bei jeder Buchung Bonuspunkte sammeln kann, für die man dann später wertvolle Prämien erhält. Das Reisebüro hat also als Buchungspartner nicht ausgedient?

Nein, definitiv nicht. Wie ich zuvor erwähnt habe, beobachten wir die Situation, gerade was die Internetbuchungen betrifft, ganz genau. Es gibt jetzt mittlerweile doch zahlreiche Kunden, die mit Direktbuchungen die eine oder andere nicht so gute Erfahrung gemacht haben und wieder ins Reisebüro zurückgekehrt sind. Und es gibt auch viele Kunden, die sich erst im Internet schlau machen, es dann aber doch vorziehen, ihre Buchung im Reisebüro zu tätigen. Nicht nur, weil sie lieber dem persönlichen Ansprechpartner vertrauen, sondern ganz einfach auch deshalb, weil viele ihre Kreditkartennummer nicht irgendwo ins World Wide Web stellen möchten. Die Touristikindustrie selbst betont nicht immer ihre Kompetenz und Qualität, sondern oft das Sonderangebot. 

Keine Reise ohne Schnäppchenpreise - sind touristische Leistungen zur Billigware verkommen?

Ja, zum Teil muss man das leider schon sagen. Einige Anbieter aus der Tourismusbranche haben in den letzten Jahren den Urlaub zur Ramschware gemacht. Der klare Menschenverstand erklärt doch schon, dass man für 19 Euro nicht in die Türkei oder nach Gran Canaria fliegen kann.

Aber es gibt solche Angebote.

Ja, natürlich bieten manche Airlines so etwas an. Allerdings muss man beachten, dass zum Flug, sofern man ihn dann doch bekommt, Steuern, Gebühren sowie Transferkosten, aber auch die Hotelkosten hinzukommen. Wir haben es mehrfach erlebt, dass die Kunden davon ausgehen, eine insgesamt gesehen günstige Reise zu ergattern - und dann enttäuscht sind, wenn sie die Gesamtsumme sehen. Uns bleibt da nur übrig, gute Aufklärungsarbeit dahingehend zu leisten, dass wir gewisse Angebote als völlig unrealistisch definieren und somit nicht buchbar sind. 

Eine Woche in die Türkei oder nach Ägypten mit Flug und Vollpension für 499 Euro - kann das noch die schönste Zeit des Jahres werden?

Es gibt immer wieder mal Sonderangebote, wenn das avisierte Kontingent nicht vollkommen ausgeschöpft wurde. Und da kann man dann auch mal das eine oder andere Schnäppchen machen - aber im Großen und Ganzen gilt die Devise: Wer Qualität haben möchte, der muss natürlich auch entsprechend dafür bezahlen.

Viele Reisebüros wären jetzt günstig zu haben. Möchten Sie weiter expandieren?

Ja, wir beschäftigen uns derzeit sogar ganz intensiv mit einer weiteren Expansion. Schon aus dem Grund heraus, weil es unser strategischer Ansatz ist, das Filialnetz weiter auszubauen.

Mit einer Gewinnmarge von knapp zwei Prozent wird in der Reisebranche nicht üppig verdient. Was bleibt bei Ihnen unter dem Strich?

RT-Reisen ist ein gesundes Unternehmen. Wir sind im Erlösbereich sehr gut aufgestellt, und wir haben auch unsere Kosten gut im Griff - insofern stehen wir ganz hervorragend da.

Was halten Sie von den Umweltabgaben für Flugreisen?

Letztendlich werden dadurch die Reisen verteuert, da diese Abgaben wieder an den Endkunden weitergegeben werden.

Wie hat sich die Aschewolke auf den Buchungseingang in Ihren Reisebüros ausgewirkt?

Der Buchungseingang in dieser Zeit war natürlich schon ein wenig zurückhaltend, aber bedeutender waren eigentlich die vielen Stornierungen, die wir zu bearbeiten hatten. Es konnten zu diesem Zeitpunkt ja zahlreiche Reisen nicht durchgeführt werden, aber wir haben es geschafft, einen Großteil der Kunden von einer Reise zu einem späteren Zeitpunkt zu überzeugen. Auch die diesjährige Burghauser Stadtreise unserer Tochtergesellschaft PrimaTours war von der Sperrung des Luftraumes betroffen. Die Reise, die in diesem Jahr Südafrika als Ziel hat, musste leider kurzfristig abgesagt werden, weil die Gruppe nicht starten konnte. Veranstalter, Reisebüro und die Agenturen vor Ort in Südafrika haben aber gemeinsam dafür gesorgt, dass die Reise nicht komplett abgesagt werden musste, sondern auf Oktober verschoben werden konnte. 

Welche Möglichkeiten bieten sich für RT-Reisen, die Angebote nicht ausschließlich über den Preis zu verkaufen?

Wir überzeugen mit einer hohen Beratungs- und Servicequalität. Durch unsere Unabhängigkeit hat der Kunde zudem eine bessere Auswahl, weil er sich dadurch selbst einen Überblick über das komplette Angebot schaffen kann und dieses nicht „vorgefiltert“ wird. Preisbewusste Kunden haben zusätzlich die Möglichkeit, Last-Minute-Angebote zu nutzen. 

Wer denkt sich die Ziele der Burghauser Bürgerreisen aus?

Das war die Idee von Bürgermeister Hans Steindl. Er schlägt heute noch die Reiseziele vor und begleitet die Stadtreise auch selbst als Bürgermeister „zum Anfassen“. Bisher waren es 16 interessante Destinationen, die wir unter dem Begriff „Burghausen - eine Stadt geht auf Reisen“ durchführen konnten.

Sind Sie zufrieden mit diesem prominenten Reiseführer?

Und ob! Hans Steindl legt auch hier ein bemerkenswertes Engagement an den Tag.

Welches persönliche Traumreiseziel wünschen Sie sich?

Ich bin ausgesprochen gerne in den Bergen, fahre hier und da mal nach Südtirol - zum Törggelen und zum Wandern - und bevorzuge Wellnesshotels.

Was raten Sie jungen Menschen, die als Berufswunsch die Touristikbranche benennen, und welche Möglichkeiten bieten sich?

Jungen Menschen würde ich zunächst einmal raten, ein Praktikum in einem entsprechenden Unternehmen zu absolvieren, später dann vielleicht eine Ausbildung als Reiseverkehrskaufmann. Möglichkeiten gibt es in der Touristik mehr als genug, einerseits im Vermittlungsbereich, so wie hier bei RT-Reisen, andererseits aber auch im Reiseveranstaltungsbereich. 

Ein Wort zu Hans Sommer.

Hans Sommer hat mich seinerzeit als Auszubildender eingestellt, wofür ich ihm bis heute sehr dankbar bin. Er hat das gesamte Konzept „RT-Reisen“ aufgebaut, er hatte die Idee der Kooperation gehabt, die er dann mit großem Erfolg realisierte. Mein Geschäftsführerkollege Thomas Bösl und ich sind jedenfalls in sehr große Fußstapfen getreten, als sich Hans Sommer in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat. Noch heute haben wir oft Kontakt zu ihm, freuen uns auch immer, wenn er uns besucht. 

Die RTK gilt als Deutschlands größte Reisevertriebsorganisation. Welche Vorteile hat ein Reisebüro, wenn es sich diesem Unternehmen anschließt?

Für Reisebürobetreiber ist es wichtiger denn je, einer starken Kooperation anzugehören, ohne dabei die unternehmerische Selbständigkeit aufzugeben. Mit über 2.300 angeschlossenen Reisebüros gilt die RTK als optimaler Partner der Touristikbranche - nicht nur was die professionellen und innovativen Lösungen in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Technologie betrifft, sondern auch die großen Vorteile, die ein kompetentes Netzwerk zu bieten hat. 

Was raten Sie jemandem, der schon alles gesehen hat?

Wenn es sich wirklich um jemanden handelt, der vieles schon gesehen und erlebt hat, dem würde ich eine Reise nach Lappland empfehlen. Ich selbst habe diese Reise vor einigen Jahren gemacht und durfte dabei einen Husky-Schlitten fahren, mit einem Eisbrecher auf Fahrt gehen, ein Skidoo lenken und in einem Eishotel übernachten. Eine wunderbare Reise - inklusive Polarlicht-Erlebnis.

Welche Stationen haben Sie durchlaufen, bevor Sie sich für RT-Reisen entschieden haben?

Allzu viele Stationen waren es offen gestanden gar nicht. Ich bin hier in Burghausen aufgewachsen und zur Schule gegangen, habe am Aventinus-Gymnasium mein Abitur abgelegt und anschließend bei RT-Reisen eine Lehre als Reiseverkehrskaufmann absolviert. Danach studierte ich in München Jura, war aber auch während des Studiums stets für RT-Reisen tätig. In meiner Freizeit habe ich am Schalter unserer Reisebüros in der Landeshauptstadt gearbeitet. Nach dem ersten Staatsexamen konnte ich das eine oder andere Mal auch in meiner Eigenschaft als Jurist für RT-Reisen tätig werden und nach dem zweiten Staatsexamen bin ich dann in dieses Unternehmen zurückgekehrt. Bereits während des Studiums habe ich meine Frau kennengelernt, die heute als Richterin für Familienrecht am Amtsgericht Traunstein tätig ist, gemeinsam haben wir eine Tochter und - seit wenigen Wochen - auch einen Stammhalter. 

Herr Helmreich, besten Dank für das Gespräch.

     
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