Ein Krankenhausaufenthalt ist in den meisten Fällen mit persönlicher Sorge,
Unsicherheit und manchmal auch Angst verbunden. Ärzte und Pflegekräfte, die
technischen Dienste, Küche und Wirtschaftsdienste sowie alle sonstigen Mitarbeiter der Kliniken Mühldorf sind deshalb bestrebt, durch ihr Handeln eine hohe Qualität der angebotenen Dienstleistungen zum Wohle des Patienten zu erzielen. Für den
rei- bungslosen Ablauf und das Zusammenspiel aller medizinischen Geschehnisse der Kliniken zeichnet Dr. Contz Hilber verantwortlich. Verleger Ralf Hansen besuchte den
Klinikchef, der im Herbst 2004 nach rund 20 Jahren seine Tätigkeit als
Chefarzt beendet und führte mit ihm ein Gespräch.
Dr. Hilber, Sie gehen im Herbst dieses Jahres, nach 20 Jahren Dienstzeit als Chefarzt der Kreisklinik Mühldorf, in den Ruhestand. Inwieweit hat sich der Beruf des Arztes in dieser Zeit verändert?
Der Beruf des Arztes, so mein persönlicher Eindruck, hat sich nicht verändert. Allerdings hat sich das Berufsbild des Chefarztes dahingehend geändert, daß die administrativen Aufgaben sehr zugenommen haben. Diese Tatsache gilt für alle Ärzte und im besonders hohen Maße für Chefärzte. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Chefarzt lag das Verhältnis noch bei circa 40 Prozent für administrative Arbeiten und bei 60 Prozent für die medizinischen Tätigkeiten. Heute würde ich das Verhältnis
umkehren.
Worin liegt die Ursache für diesen Zustand?
Die Ursache liegt in der ausufernden Dokumentationspflicht, der komplizierten Leistungserfassung sowie der zunehmenden Anforderungen, die heute von den Krankenkassen, Versicherungen und Verwaltungen an den Chefarzt und seine ärztlichen Mitarbeiter gestellt
werden.
Sehen Sie das als typisch deutsches Problem?
Ich nehme an, daß es zumindest in der westlichen Welt allen Ärzten so
geht.
Was zeichnet Ihrer Ansicht nach ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis
aus?
Nimmt der Arzt beim ersten Kontakt alle Sorgen und Nöte des Patienten ernst, sollte es ihm, bei entsprechender medizinischer Kompetenz nicht schwer fallen, das Vertrauen des Patienten zu
gewinnen.
Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Veränderungen der Krankenhauslandschaft während Ihrer
Dienstzeit?
Der Eintritt des Computerzeitalters mit überbordender Bürokratie, der
medizini- sche und technische Fortschritt sowie der gesteigerte Anspruch an die
Machbar- keit der Gesundheit - möglichst zum Nulltarif. Verändert hat sich auch die
Lei- tungsfunktion der Chefärzte. Während in der Vergangenheit die verschiedenen Bereiche wie Verwaltung, medizinische Abteilungen und die Pflegedienste noch
al- lein und jeder für sich agierten, begreifen sie sich jetzt zunehmend als Team, wobei
anliegende Belange in regelmäßigen Abständen von den jeweiligen Führungskräften erörtert werden.
Wo sehen Sie die besondere Stärke dieses Klinikums?
Die Chancen und Stärken liegen in dem hohen medizinischen Standard den wir anbieten und auch in dem Bemühen, der Bevölkerung unseres und der
angren- zenden Landkreise eine optimale Behandlung in einem zugewandten und
freundlichen Umfeld zu bieten. Unsere besondere Stärke liegt sicherlich darin, daß wir kurze Wege haben, sehr gut medizinisch aufgestellt sind, die Patienten eine
heimat- nahe Versorgung auf hohem Niveau erhalten, und daß unser Personal sich in
ho- hem Maße mit seinen Aufgaben
identifiziert.
Welche Maßnahmen zur Sicherung der Existenz des Krankenhauses
wurden in der jüngeren Vergangenheit durchgeführt?
Hierzu gibt es einen umfangreichen Maßnahmekatalog. In medizinischer Hinsicht haben wir unser Angebot bisher bereits mit der Thoraxchirurgie und mit einem
ambulanten Operationszentrum erweitert. Letzteres
wurde erst im Mai dieses Jahres eingeweiht, wird aber von den Patienten so gut angenommen, daß es bereits jetzt schon an mehreren Tagen der Woche ausgelastet
ist.
Das Deutsche Gesundheitswesen kränkelt. Welche Probleme
beschäftigten Sie in der letzten Zeit am
meisten?
Am meisten beschäftigt mich, daß der technische Anspruch heute sehr hoch sein könnte, wenn nur die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt würden.
Allerdings sind die Ressourcen sehr knapp, dadurch ergeben sich für jeden Chefarzt, der seine Abteilung auf hohem Niveau führen will,
entsprechende Probleme. Ein weiteres Hauptproblem, das uns derzeit permanent bewegt, ist eine sich ständig ändernde Gesetzeslage und die für die Krankenhäuser damit verbundene, völlig fehlende
Planungssicherheit.
Bereits im Oktober 2000 hat sich der Europäische Gerichtshof
entschieden, daß der Bereitschaftsdienst von Krankenhausärzten in Form
persönlicher Anwesenheit im vollen Umfang als Arbeitszeit angesehen werden
muß. Wurde dieser Entscheidung in Ihrem Hause bereits Rechnung getragen?
Ja, und zwar einerseits dadurch, daß wir auf dem ärztlichen Sektor personell
auf- gestockt haben. So hat die chirurgische Abteilung 2,5 Stellen mehr von der
Geschäftsführung genehmigt bekommen. Andererseits haben wir auch versucht, die Bereitschaftsdienstzeiten durch Änderung der Dienstzeiten in ein erträgliches Maß
umzusetzen.
Aber es ist schon so, daß auch in Ihrem Hause, genau wie in allen anderen Versorgungseinrichtungen dieser Art, gespart werden
muß?
Das deutsche Gesundheitswesen krankt unter immer knapper werdenden
finanziellen Mitteln. Dies hat zur Folge, daß sich der Druck auf die Wirtschaftlichkeit
erhöht, was wiederum die Gefahr in sich birgt, daß die Ökonomie in der
Krankenhausverwaltung übergewichtet
wird.
Patienten könnten da auf die Idee kommen, dies ginge zu Lasten der Qualität ihrer medizinischen Versorgung. Entwickeln sich hier weitere
Probleme?
Solche Befürchtungen wurden ja bereits hin und wieder von Politikern und Ärzten ausgesprochen. Kein Wunder, daß diese zu Verunsicherung und Mißtrauen bei Patienten führen. Meiner Ansicht nach sind diese Vorwürfe zumindest derzeit
un- begründet. Jeder Patient darf sicherlich davon ausgehen, daß weder die Qualität seiner Versorgung noch die seiner Betreuung gelitten haben, da wir durch
ent- sprechende Maßnahmen immer versuchen, unseren hohen Standard weiter
auf- recht zu
erhalten.
Nach Ihnen werden im Herbst nun drei Chefärzte die Leitung der Klinik übernehmen.
Welche Vorteile ergeben sich dadurch?
Die Chirurgie hat seit Beginn meiner Tätigkeit sowohl in fachspezifischer als auch in technischer Hinsicht eine so rasante Entwicklung erfahren, daß es in meinen
Überlegungen nur logisch war, für die drei Hauptsparten der Chirurgie renommierte Leiter zu gewinnen.
Zukünftig wird die Abteilung Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie von Dr. Wolfgang Richter geführt werden, die Gefäßchirurgie von Dr. Caspar Thierfelder und die Unfallchirurgie von Dr. Stefan
Trabhardt.
Wie wird sich das Leistungsangebot der Kreisklinik Mühldorf zukünftig
weiterentwickeln?
Mit dem am Haus befindlichen Haupt- und Belegabteilungen haben wir uns, wie ich meine, in der Krankenhauslandschaft eine gute Position geschaffen, die der
Landkreisbevölkerung heute schon mehr als die Grundversorgung
bietet.
Mit welchen Problemen werden Ihre Nachfolger konfrontiert werden?
Mit ungewissen Rahmenbedingungen durch die Gesundheitspolitik und mit immer geringeren
Ressourcen.
Stichwort »Integrierte Versorgung«.
Ich halte die Integrierte Versorgung für ein durchaus lohnenswertes Ziel. Die
Verknüpfung der ambulanten Medizin mit der stationären Medizin wird zunächst
natürlich entsprechende Kosten durch die Vernetzung verursachen, doch die Vorteile die durch den Wegfall von Doppelbestimmung entstehen, zum Beispiel von
Blut- werten oder auch von EKG’s, werden überwiegen.
Das Krankenhaus Mühldorf wird seit 2001 zusammen mit den beiden an-
deren Krankenhäusern des Landkreises in Haag und Neumarkt St. Veit, als GmbH geführt. Was hat sich dadurch für Sie und Ihre Tätigkeit
geändert?
In den administrativen und personellen Aufgaben ergibt sich durch diese
Konstellation im wesentlichen eine engere Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung, und auch die Transparenz der vielfältigen Probleme, die es im Krankenhausalltag zu lösen gibt, ist dadurch sehr viel größer
geworden.
Wer ist Träger der Klinik?
Träger ist die GmbH, die wiederum dem Landkreis gehört. Für die
Geschäfts- führung dieser GmbH zeichnen Bernd Kölbl und Barbara Nußbaumer
verant- wortlich. Deren Hauptaufgabengebiet besteht darin, Mittler zu sein zwischen der Ökonomie eines Krankenhauses und der Medizin sowie der Pflege. Die enge Kooperation findet ihren Ausdruck in einem gemeinsam entwickelten
Strategie- konzept und in dessen Verwirklichung. Dadurch sind Ärzte und Pflege verstärkt in die Wirtschaftlichkeit und die Krankenhausmanager in die Patientenorientierung
eingebunden.
Ist Ihnen die Zusammenarbeit mit Ärzten der anderen medizinischen
Einrichtungen des Landkreises auch
wichtig?
Die Zusammenarbeit ist unbedingt notwendig, wenn wir die Standorte Haag und Mühldorf erhalten wollen. Wobei nicht nur die Notwendigkeit dafür spricht,
son- dern auch die vielen Vorteile, die sich dadurch ergeben. Patienten die bei uns operiert werden, können bei Bedarf beispielsweise in die geriatrische,
beziehungs- weise orthopädische Reha nach Haag verlegt werden. Durch die Einrichtung von
»Tempis«, dem telemedizinischen Pilotprojekt zur integrierten
Schlaganfallversorgung in der Region Süd-Ost-Bayern, haben wir qualifizierte Neurologen und Psychiater aus Haag vor Ort. Das gleiche gilt auch für die Logopädie und
Ergotherapie. Die enge Zusammenarbeit ist auch dokumentiert durch die Kooperation der Internen Abteilung von Haag mit der Chirurgie und den anderen Abteilungen unseres
Hauses.
Sehen die Mühldorfer Ärzte Ihr Haus als Mitbewerber im gesundheits-
technischen
Bereich?
Die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und dem Krankenhaus ist von
grundsätzlicher Bedeutung und kann sehr positiv gestaltet werden. Hinsichtlich eines Wettbewerbs kann es allerdings in einzelnen Fällen zu Überschneidungen kommen. Darüberhinaus ist es auch so, daß wir hier ansässigen Ärzten die
Möglichkeiten bieten, sich als Belegarzt unserer Klinik zu integrieren. Ich bin sogar sehr froh darüber, denn somit können wir gewährleisten, daß unsere Patienten so selten wie möglich außer Haus geschickt werden müssen.
Welche Belegärzte sind hier tätig?
Wir verfügen hier über Belegärzte in den Fachbereichen Urologie, Augenheilkunde, Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Radiologie, Gynäkologie sowie in der Oralen
Chirurgie.
Muß sich zukünftig der Träger einer Klinik wie dieser angesichts der neuen Gesundheitsreform zunehmend mehr als Gewerbeunternehmer
sehen?
Als Gewerbeunternehmen würde ich ein Krankenhaus sicherlich nicht bezeichnen. Aber es ist selbstverständlich schon so, daß auch die für unsere Klinik
verantwortlich zeichnende GmbH bemüht ist, das Haus nach wirtschaftlichen
Gesichts- punkten zu führen, schließlich stehen auch wir im Wettbewerb zu anderen
Gesundheitsanbietern. Zum Ergebnis unternehmerischen Denkens innerhalb eines
Krankenhauses gehört auch, daß die freiwerdenden Ressourcen durch die
Verkürzung der Verweildauer erreicht wurden. Und diese wiederum wurde durch die
Intensivierung des bereits am Haus befindlichen medizinischen Angebotes durch die
Besetzung mit Spezialisten
intensiviert.
Müssen zukünftig Patienten schneller entlassen werden, weil jetzt weniger
Krankenhausbetten zur Verfügung stehen?
Nein, die Folge des Abbaus von Krankenbetten wird mit dem technischen und medizinischen Fortschritt begründet. Deutschland steht mit seiner Überkapazität an zweiter Stelle aller bettenführenden Kliniken der Welt. Meiner Meinung nach wird diese Überkapazität an Betten zurecht zurückgeführt, allerdings wird dadurch
natürlich der Druck immer größer, die Patienten früher zu entlassen. Der Trend zur Verkürzung der Verweildauer im Krankenhaus führt allerdings auch zu einer
Verdichtung der klinischen Abläufe, die naturgemäß zu einer höheren Belastung des ärztlichen und pflegerischen Personals führen. Teilweise gilt dies auch für die
Patienten.
Wie sehen Sie die Zukunft im Gesundheitswesen?
Ich glaube, eine Prognose darüber abzugeben ist aus dem einfachen Grund nicht sinnvoll, da sich die Gesetzeslage in der Gesundheitspolitik überschlägt und fast jeden Tag neue Gesetze beschlossen werden. Die Rahmenbedingungen und die zunehmende Gesetzesflut in der Gesundheitspolitik sind bereits jetzt schon derart verwirrend und ohne langfristiges Konzept, daß jede Prognose, die man heute stellt, schon morgen nicht mehr
zutrifft.
Wer ist für diesen Zustand verantwortlich?
Unsere Politiker und Standesvertreter sind schlichtweg unfähig, ein kontinuierliches zuverlässiges Rahmenprogramm zu liefern, nach dem das gesamte
Gesundheits- wesen planbar
ist.
Im Gespräch ist eine elektronische Chipkarte. Bekommen wir jetzt den »Gläsernen Patienten«?
Den Begriff »Gläserner Patient« halte ich für überzogen, ich erkenne hier vielmehr Vorteile sowohl für den Patienten, als auch für den behandelnden
Arzt.
Die Klinik Mühldorf a. Inn ist auch ein bedeutender Arbeitgeber für die Bürger der Stadt. Wieviele Arbeitsplätze stellen Sie hier insgesamt zur Verfügung?
Mit Teilzeitkräften arbeiten hier in der Kreisklinik insgesamt 482
Mitarbeiter.
Mit welchen Fragen wenden sich die Mitarbeiter Ihres Hauses an Sie?
Meine Mitarbeiter wenden sich bei Bedarf eigentlich mit Fragen aus allen Bereichen an
mich.
Wer ist in Ihrem Haus für die Schulung der Mitarbeiter zuständig?
Für die Schulungen des Pflegepersonalsektor ist der Pflegedienstleiter zuständig, im ärztlichen Bereich werden zwischen den Ärzten die Themen abgesprochen und dazu regelmäßige Schulungen
vorgenommen.
An welches berufliche Ereignis werden sie sich immer gerne erinnern?
An was ich mich wohl immer gerne erinnern werde, ist die hervorragende
Zu- sammenarbeit mit allen meinen
Mitarbeitern.
Dr. Hilber, was tun Sie in Ihrer Freizeit für die eigene Gesundheit?
Ich versuche, mich möglichst viel an der freien Luft aufzuhalten und erreiche dies durch Gartenarbeit, Golf spielen und die
Jagd.
Vielleicht noch ein kurzer Überblick auf Ihren persönlichen
Lebenslauf.
Ich bin in München geboren, habe dort die Schule besucht und später dann auch studiert. Nach meiner Bundeswehrzeit und Aufenthalten in verschiedenen
Kran- kenhäusern in West- und Norddeutschland absolvierte ich eine Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie im Klinikum »Rechts der Isar«. Von 1976 bis 1982 war ich als Oberarzt tätig, seit 1982 arbeite ich hier im Kreiskrankenhaus Mühldorf.
Zu- dem war ich als Privatdozent bis 2002, demnach also über 20 Jahre, in der
Aus- bildung der Medizinstudenten der Technischen Universität München tätig.
Dr. Hilber, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche einen ab-
wechslungsreichen Ruhestand.
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