Kalender
Atom Uhr

GEORG REISCHL

Inhaber einer Spedition
Edition: Ebersberg 1997

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

In seiner Spedition arbeiten rund 150 Mitarbeiter und sein Fuhrpark fährt täglich einmal fast um den gesamten Erdball. Was beschäftigt einen so erfolgreichen Unternehmer, welche Probleme gilt es zu meistern, wie sieht er die wirtschaftliche Perspektive der Stadt Ebersberg. Das und vieles andere mehr erfahren Sie hier. Ralf Hansen, Verleger der STADTBROSCHÜRE interviewte einen der bekanntesten Bürger der Stadt, sprach mit Georg Reischl.

 

Herr Reischl, als wir Sie als unseren diesjährigen Interviewpartner nannten, kam überall Freude auf. Woran liegt es Ihrer Meinung nach? Haben die Ebersberger mehr Respekt vor Ihrem beruflichen Erfolg, vor Ihren Leistungen als Stadtrat oder sind Sie »einfach nur beliebt«?

Das ist natürlich schwer zu beantworten, ich glaube aber eher, daß es mein beruflicher Erfolg ist. Ich bin zwar als Stadtrat tätig, mache auch meine Hausaufgaben, aber sicherlich nicht ganz so engagiert, wie andere, die einfach mehr Zeit haben.

Selbst ein Laie hat in den letzten Jahren immer wieder mitbe- kommen, wie schwer es gerade Ihrer Branche gemacht wird, sich erfolgreich auf dem Markt zu behaupten. Was müßte sich ändern? 

In unserer Branche müssten sich die Verkehrsverhältnisse wesentlich ändern, damit wir flexibler werden können. Die Bundesbahn müßte mehr LKW’s aufnehmen können, damit wir besser von der Straße wegkommen. Sie bräuchte ein größeres Schienennetz, das jetzige wird von morgens bis spät nachts für den Personenverkehr benötigt.

Widerspricht das nicht Ihrer beruflichen Aufgabe als Spediteur, schließlich würde die Bahn dadurch ja auch in Konkurrenz mit Ihnen treten?

Überhaupt nicht, denn wir sind ja für die Abholung und Zustellung zuständig. Es gibt ja viele Gebiete, in denen gar kein Zugverkehr stattfindet. Der Verkehr im Bereich von 200 Kilometern wird immer auf der Straße bleiben, wird immer von Lastkraftwagen transportiert werden müssen. Aber die Langstrecken, die sollten meiner Meinung nach schon auf die Schiene gehen.

Kann man als Inhaber eines mittelständischen Unternehmens mit rund 150 Mitarbeitern angesichts der gespannten Marktlage überhaupt noch ruhig schlafen?

Ja, ich kann sogar sehr gut schlafen, weil ich meinen Betrieb auf spezielle Güter ausgerichtet habe. Wir transportieren keine Montangüter oder Güter, die Sammelgutspediteure transportieren können, sondern sind spezialisiert auf Computertransporte und Transporte von Flugzeugtriebwerke und Luftfrachtersatzverkehre. Selbstverständlich ist der Ursprung unseres Unternehmens, die Möbelspedition, noch immer ein wichtiger Zweig des Unternehmens, schließlich hat sich daraus alles entwickelt. 

Für deutsche Unternehmer scheinen im Moment die Lohnkosten noch das größte Problem zu sein. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ja, das ist richtig, aber es sind nicht nur die Lohnkosten, sondern überwiegend auch die Lohnnebenkosten. Da liegen wir im Vergleich mit anderen Wettbewerbern aus der EU deutlich drüber. Das beeinträchtigt uns im Wettbe- werb schon enorm, muß man mal ganz deutlich sagen.

Gehen wir doch ins Detail. Wo müßte man den Hebel ansetzen?

Hier müßte die versprochene Harmonisierung stattfinden, in erster Linie natürlich bei den Löhnen. Fahrzeug-, Kraftstoff- und Reisekosten sind in ganz Europa gleich, aber die Lohnkosten sind deutlich höher als im benachbarten Aus- land.

Ist die wirtschaftliche Lage wirklich so ernst, oder liegt es einfach nur daran, daß die Regierung die Lösung dieser Probleme zum Wahl- kampfthema machen will, sie deshalb auf die lange Bank schiebt? 

Ich bin Spediteur, kein Politiker, aber meine persönliche Meinung dazu lautet: Die Kosten müssen so angeglichen werden, daß wir wieder wettbewerbsfähiger werden. Jetzt ist es doch so, daß die Großindustrie die Produktion ins Ausland verlagert hat, weil die Lohnkosten dort günstiger sind. Der Staat müßte die Kosten drastisch senken, damit mehr Menschen beschäftigt werden können. Ich könnte mir vorstellen, wenn jeder deutsche Bürger bereit wäre, mehr zu leisten, würden wir dieses Problem lösen. Im Klartext, statt 38 Stunden müßte man also wieder 45 Stunden arbeiten.

Welche Vorteile bringt Ihnen die EG?

Mir bringt die EG einen ganz wesentlichen Vorteil, da wir aufgrund vereinfachter Grenzkontrollen weniger Standzeiten haben.

Bauen Sie zur Zeit wieder ein neues Firmengebäude? 

Nein, das neue Objekt wird von mir nicht in Verbindung mit dem Spe- ditionsbetrieb gebaut, sondern weil mir das Grundstück seit längerer Zeit gehört und das Gebäude dort erforderlich wurde, weil Landrats- und Arbeitsamt Platz- bedarf hatten. 

Können Sie uns Ihren beruflichen Werdegang kurz schildern?

Die Spedition Reischl existierte bereits vor dem zweiten Weltkrieg und wurde von meinem Vater gegründet. Seit 1962 bin arbeite ich hier, seit ‘68 bin ich Gesellschafter, seit 1972 Alleininhaber.

Kennen Sie aus dem Stehgreif Ihren Fahrzeugbestand?

Ja, den weiß ich. Wir haben derzeit mit Motorfahrzeugen, Anhängern und kleineren LKW’s exakt 122 Fahrzeuge.

Wann haben Sie zuletzt einen Ihrer Lastwagen selbst gefahren?

Es kommt mindestens einmal im Monat vor, daß ich mit einem unserer Fahrzeuge eine Probefahrt mache.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren nachts auf der Autobahn, es regnet in Strömen und Sie sehen am Fahrbahnrand einen Ihrer Fahrer, der einen Reifenwechsel vornimmt. Steigen Sie aus und helfen Sie?

Aber natürlich, ich halte auf jeden Fall und ich versuche auch, zu helfen, wenn ich kann.

Angenommen, Sie fahren selbst irgendwo im Süden Europas herum und sehen plötzlich einen Ihrer Lastwagen vor sich. Erfüllt Sie das mit Stolz oder denken Sie: Warum ist der noch hier und nicht schon wieder unterwegs?

Nein, ich würde das anders betiteln. Ich sehe das mit Zufriedenheit und sage mir: Aha, da fährt jetzt einer von uns gerade auch in meine Richtung. Ich beo- bachte zunächst, ob alles in Ordnung ist - man kann von hinten eine Unregelmäßigkeit oftmals besser erkennen. Und wenn ich Zeit habe, halte ich ihn am nächsten Parkplatz an und frage ob alles in Ordnung ist, oder ob es Probleme gibt, bei denen ich helfen kann.

Sie bewiesen immer einen Blick für Marktlücken, gibt es noch welche für Spediteure und welche Ratschläge würden Sie Neuanfängern geben?

Es gibt sicherlich Marktlücken, nur man kann sich nicht mit zu vielen beschaffen. Die, die man erkannt hat, müssen gründlich gemacht werden, damit man Erfolg hat. Und ich kann allen Neuanfängern nur raten, daß sie das, was sie beginnen, hundertprozentig machen, nur dann haben sie eine echte Chance.

Plagt Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie Leute »feuern« müssen, die Ihrem Anspruch nicht gerecht werden?

Nein, weil es bedarf schon sehr vieler negativer Ereignisse, bis ich mich von einem Mitarbeiter trenne. Und wenn’s dann soweit ist, dann plagt mich kein schlechtes Gewissen mehr, dann handele ich eigentlich nur noch auf Anraten anderer Mitarbeiter, die mir das bereits drei Monate zuvor an das Herz gelegt haben.

Wann sehen sie »rot«?

Wenn ein Mitarbeiter sich mehrmals grob fahrlässig verhält, wenn er bewußt oder vorsätzlich seine Arbeit nicht so erfüllt, wie man es von ihm erwartet, damit zum einen Kunden verärgert, andererseits auch andere Arbeitsplätze gefährdet.

Wen würden Sie sich noch als Kunden wünschen?

Eine sehr schwierige Frage, denn ich habe die Besten. 

Wem würden Sie nichts transportieren, auch wenn der Profit noch so groß wäre?

Von der kaufmännischen Seite her gesehen, am liebsten dem, der nicht bezahlt. Aber wir würden sicherlich auch keine Tiertransporte übernehmen.

Ein Blick in die persönliche Zukunft: Wie lange planen Sie, Ihr Unternehmen noch selbst zu führen und gibt es wieder einen Nachfolger aus der eigenen Familie?

Ja, es gibt eine Nachfolgerin, meine Tochter, und ich selbst möchte gerne noch so lange es meine Gesundheit erlaubt, in der Firma tätig sein.

Welche Voraussetzungen muß Ihre Tochter als Nachfolgerin erfüllen?

Zuverlässigkeit, Weit- sicht, unternehmerische Fähigkeiten und fachliche Qualifikation.

Belastet die Vererbung eines Unternehmens von Generation zu Generation nicht die freie Berufswahl? Hätten Sie auch Alternativen gehabt und haben Sie diese Ihrer Tochter auch zugestanden? 

Ich habe meiner Tochter selbstverständlich die Freiheit gelassen, sich für etwas anderes zu entscheiden. Aber wie Sie sehen, hat Sie sich für unseren Betrieb entschieden, worüber ich mich natürlich sehr freue.

Was unterscheidet Ihr Unternehmen von den anderen?

Wir unterscheiden uns insofern, daß wir Waren und Güter transportieren, die andere, zum Teil, nicht transportieren können. Wir haben eigens dafür ausgerüstete Spezialfahrzeuge, aber auch das Personal muß dafür besonders ge- schult werden.

Die Werbung um neue Kunden hat sich in den letzten Jahren sicherlich auch verändert. Wie lenken Sie die Aufmerksamkeit der Kunden auf die Vorzüge Ihres Unternehmens?

In erster Linie durch qualifizierte Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten, außerdem haben wir eine gute Werbung an unseren Fahrzeugen angebracht.

Können Sie ein paar Zahlen nennen, die uns die Marktpräsenz Ihres Unternehmens verdeutlichen? 

Umsatzzahlen möchte ich Ihnen eigentlich nicht nennen, aber ich werde Ihnen eine andere Zahl nennen: Wir fahren mit unseren gesamten Fuhrpark pro Tag insgesamt rund 40.000 Kilometer, das heißt, einmal fast um die ganze Welt, täglich wohlgemerkt.

Sicherlich gab es auch mal Niederlagen. Erinnern Sie sich doch mal an den Fall, der Ihrem Unternehmen das meiste Geld gekostet hat, wo Sie mal wirklich so richtig draufgezahlt haben.

Niederlagen gab es eigentlich keine. Es gab lediglich rezessionsbedingte Zeiten, die uns zwar geschadet haben, von denen wir uns aber immer gut erholt haben, weil wir stets vorsichtig gewirtschaftet haben und nicht zu risikofreundlich waren.

Vor dem Hintergrund einer allgemeinen pessimistischen Grund- stimmung hieß die Parole vieler deutscher Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr 1996 Konsolidieren und Umsatz halten. Trifft das auch für Ihr Unternehmen zu? 

Nein, wir haben auch 1996 gute Zahlen erwirtschaftet.

Im Vorfeld haben wir uns natürlich auch ein wenig mit Ihrer Person beschäftigt. Und jeder, der gefragt wurde, beschrieb Ihre unter- nehmerischen Tätigkeiten völlig ohne Neidgefühle, vielmehr mit Hoch- achtung. Gibt Ihnen das Genugtuung für das bisher Geleistete?

Ja.

Welche Ehrenämter bekleiden Sie?

Ich bin Stadtrat, war Beisitzer beim Arbeitsgericht, bin engagiert bei unseren Verbänden und ich bin tätig bei der IHK.

Was bringt ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen?

Wenn keine Straßen mehr gebaut werden, nicht viel. 

Wie muß man sich Georg Reischl vorstellen, wenn er nicht arbeitet?

Welche Antwort erwarten Sie jetzt von mir?

Nun, was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ich gehe hin und wieder mal an einen Stammtisch und unterhalte mich gerne mit Freunden über dieses und jenes.

Welchen Traum würden Sie sich persönlich gerne erfüllen?

Daß ich gesund bleibe, und für meine Familie und meinen Betrieb noch lange wirken kann.

Was assoziieren Sie mit Ebersberg?

Ebersberg ist meine Heimat- und Geburtsstadt, ich liebe Ebersberg. Aus betrieblicher Sicht haben wir hier weniger Perspektiven, weil meine Kunden aus ganz Europa stammen.

Wie beurteilen Sie denn die wirtschaftliche Perspektive in Ebersberg aus der Sicht als Stadtrat?

Sehr gut. Ebersberg hat ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewerbetreibenden und Bürgern und ich finde, es ist alles in bester Ordnung.

Und Ebersberg als Einkaufsstadt?

Ebersberg hat als Einkaufsstadt einen ganz gravierenden Nachteil, weil wir hier nur Umland nach Westen und nach Osten haben. Grafing liegt als Einkaufsstadt sehr nahe südlich und im nördlichen Bereich haben wir den großen Ebersberger Forst als natürliche Grenze. Trotzdem möchte ich behaupten, daß Ebersberg sehr wohl gute Einkaufsmöglichkeiten bietet.

Als Inhaber eines Unternehmens mit 25 Millionen Mark Umsatz, wir wissen das, bleibt Ihnen sicherlich auch eine Million pro Jahr über, oder?

Nein, kann man so nicht sagen. Ich würde es anders formulieren. Der größte Teil des erwirtschafteten Gewinns, wird von mir ausschließlich wieder investiert, damit der Betrieb immer modernst mit Fahrzeugen und Geräten ausgestattet bleibt.

Wie würden Sie Reichtum definieren?

Ich glaube, Reichtum hat nicht immer etwas mit Geld zu tun, es gibt andere Dinge. Reichtum ist für mich, wenn einer zufrieden und gesund ist.

Angst vor dem Euro?

Nein.

Sollten die Politiker die Währungsunion angesichts der derzeitigen Probleme nicht besser verschieben oder ganz fallen lassen?

Der Euro ist für mich zweitrangig. Wichtig ist für mich, daß unsere Regierung die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in Ordnung bringt. Das bedeutet: Runter mit den hohen Arbeitslosenzahlen und mehr Investitionen in Auf- schwungprogramme. 

Wenn Sie zum Geburtstag ein Glückwunschtelegramm bekämen, wessen Namen würden Sie am liebsten darunter sehen? Den vom Bundesverkehrsminister, vom Papst, von Nelson Mandela oder den Ihres schärfsten Konkurrenten?

Den meines schärfsten Konkurrenten.

Mal ehrlich, gibt es jemanden, dem Sie mal eins auswischen möchten?

Den Gedanken hat man öfters, aber tun, würde ich es nicht.

Widersprechen Ihnen Ihre Angestellten, wenn es sein muß? Wie gehen Sie mit Kritik um?

Widersprechen ja, Kritik ist so ein Sache. Ich muß sie mir anhören, damit ich erklären kann, warum etwas so ist, wie es ist. 

Welche Eigenschaften hätten Sie gerne von Ihrer Frau?

Die vermittelnde Art, immer wieder für den richtigen Ausgleich zu sorgen.

Haben Sie jemals aus Wut zugeschlagen?

Nein, noch nie.

Sind Sie schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

Ja, ich stand öfters in der Verkehrssünderkartei.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal ernsthaft unterhalten?

Mit Kohl und Wissmann über die Zukunft auf Deutschlands Straßen.

Was ist für Sie der Sinn des Lebens?

Das man etwas sinnvolles aus seinem Leben macht.

Wann haben Sie zuletzt einen draufgemacht?

Ich kann mich jetzt nicht erinnern, aber das kann durchaus mal vorkommen.

Zum Schluß beginnen wir noch einige Sätze, die Sie bitte zu Ende führen wollen: Wenn ich heute könnte wie ich wollte, würde ich.

...dasselbe noch einmal machen.

Meine Firma bedeutet mir.

...sehr viel, nicht alles, meine Familie bedeutet mir mehr.

Wenn ich nicht hier in Ebersberg wohnen müßte, dann würde ich...

...in Ebersberg wohnen.

Ein Leben ohne Arbeit ist ...

...für mich keine Erfüllung.

Geld bedeutet mir...

...nicht alles.

Ich bin neidisch auf...

...niemanden.

Ich halte Bürgermeister Walter Brilmayr für einen...

...wirklich hervorragenden Fachmann.

Der wichtigste Rat an meine Tochter war...

...mach alles, was du machst, mit vollem Einsatz.

Ich sehe mich als Vorbild für...

...meine Familie und für meine Mitarbeiter.

Mein größtes Laster ist...

...daß ich manchmal zu nachgiebig bin.

Die letzte Frage: Nichts ist erotischer als...

..ach du lieber Gott, was soll ich Ihnen darauf antworten? Streichen Sie die Frage lieber.

In Ordnung, Herr Reischl. Wir danken Ihnen für dieses ausführliche Interview und wünschen Ihnen das, was Sie sich wohl auch am meisten selbst wünschen: Weiterhin gute Gesundheit und viel Erfolg.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG