Das
Weißbier der kleinen Mühldorfer Brauerei Unertl gilt unter Kennern als
besonderes Schmankerl. Auch »Feinkost Käfer«, das Münchner Hotel »Bayerischer
Hof«, der Party-Service Schuhbeck zählen zu den zufriedenen Kunden des
Hauses. Trotz des Großen Erfolges ist die Firmenphilosophie des
Alteingesessenen Familienbetriebes eher bescheiden geblieben. Die vielen
treuen Kunden vor Ort sind der Familie Unertl immer noch am wichtigsten.
Und das spürt man auch, denn der Private Kontakt zum Kunden wird hier
noch sehr groß geschrieben und entsprechend gepflegt. Das Unternehmen
Unertl beschäftigt sich aber nicht nur mit der Herstellung ihres
köstlichen Weißbieres. Die Familie zeichnet auch für die Führung der
gemütlichen Lodron-Weinstube verantwortlich, außerdem für einen
Getränkefachmarkt und den Gourmettreffpunkt »Ingrids köstliche Kiste«.
Nicht zu vergessen - das beliebte Weißbierzelt auf dem Mühldorfer
Volksfest. Gründe genug für Tanja Weichold, sich mit dem Juniorchef
Woflgang Unertl zu unterhalten.
Herr
Unertl, der Verdrängungswettbewerb macht auch vor den Brauereien nicht halt. Der Deutsche Brauerbund beklagt zum Beispiel, daß bis zum Jahr 2000 die Hälfte aller Brauereien vom Markt verschwunden sein werden und daß in diesem Konkurrenzkampf natürlich zuerst die kleinen Unternehmen auf der Strecke bleiben werden. Sie aber können in Ihrer Weißbierbrauerei gar nicht mehr so viel produzieren, wie zu verkaufen möglich wäre. Wie schafft es ein so kleiner Familienbetrieb entgegen aller veröffentlichten Statistiken dennoch, in diesem harten Wettbewerb so erfolgreich zu
sein?
Ich denke, das Erfolgsgeheimnis der kleinen Brauereien liegt in der Art, wie sie ihr Geschäft betreiben. Sie können ihre Philosophie vor allem ehrlicher und konsequenter verfolgen und dem Verbraucher
näherbringen, als es den Großbrauereien möglich ist. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach immer, sich selbst gegenüber ehrlich zu bleiben. Erfolg wird sowieso individuell bewertet. Manch einer betracht es beispielsweise schon als Erfolg, wenn er ein großes Auto fahren kann. Die Menschen bemerken oft gar nicht, daß sie wie die Lemminge dem Abgrund zulaufen. Wir stehen zur Zeit in Verhandlung mit dem Unternehmen »Bioland«, weil wir die Absicht haben, in den nächsten zwei Jahren vielleicht ein Bio-Weißbier zu brauen. Das Verfahren dazu beginnt quasi schon beim biologisch angebauten Weizen und endet erst bei der Wärmerückführung in unserer Brauerei. So etwas kann eigentlich nur eine kleine Brauerei durchführen, weil die für eine Massenproduktion benötigten großen Mengen gar nicht so einfach zu produzieren sind.
Wird in Zeiten der Rezession auch weniger Bier
getrunken?
Nein, es wird weder weniger noch mehr getrunken. Wenn dies aber der Fall wäre, würden die mittelständischen Unternehmen darunter am meisten leiden. Als kleines Unternehmen, so glaube ich, wären wir davon nicht so stark betroffen. In diesem Zusammenhang finde ich es aber auch interessant, daß es kein anderes Land gibt, in dem der Umsatz von Lebensmitteln und Getränken im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt so gering ist, wie der in unserer Bundesrepublik. Wir für unseren Teil versuchen jedenfalls zum einen, durch absolute Qualität zu überzeugen. Zum anderen natürlich auch mit Hilfe des direkten, persönlichen Kontaktes zum Kunden, alles zu tun um den Verbraucher
zufriedenzustellen. Allein vom Preis her gesehen, hätten wir in einem direkten Konkurrenzkampf als kleine Brauerei überhaupt keine Überlebenschancen
mehr.
Sie werben für Ihr Mühldorfer Weißbier-Spezialität
mit den Worten: Unverkennbar - Unvergleichlich - Unertl. Was macht Ihr Bier denn nun so
schmackhaft?
Unsere Weißbiere werden nach einem speziellen Familienrezept gebraut, sind naturbelassen und werden ohne chemische Zusätze unfiltriert abgefüllt. Sie sollten es einmal probieren, dann wissen Sie sofort, wovon ich
rede.
Die Brauerei Unertl ist ein Familienbetrieb, der mit Ihnen in vierter Generation weitergeführt wird. War es von Anfang an Ihr Wunsch, das Werk Ihrer Vorfahren
weiterzuführen?
Eigentlich hatte ich ja andere Pläne, aber nach vielen Überlegungen habe ich mich dann doch dazu entschieden, die Brauerei weiterzuführen. Und das nun mit ganzem Herzen, denn meine Devise lautet: Wenn ich etwas mache, dann nur mit vollem Einsatz und totaler
Überzeugung.
Ihr Vater war in der Stadt Mühldorf und auch auf Landkreisebene politisch sehr engagiert. Werden Sie seinem Beispiel
folgen?
Auf gar keinen Fall. Ich habe mich in der Vergangenheit schon einmal sehr engagiert, aber ein sehr weiser Mann hat mir einmal auf die Schulter geklopft und gesagt: Merke Dir eines, gehe als Brauer oder als Wirt niemals in die Politik. Ich habe seinen Rat befolgt und ich bin auch heute noch der Meinung, daß dies absolut richtig war . Was mir als außenstehender Beobachter am meisten Sorgen macht, ist die Tatsache, daß so viele Parteikollegen untereinander zerstritten sind und daß keiner mehr dem anderen den Rücken stärkt. Ich finde, es gibt keinen Zusammenhalt mehr und Streitigkeiten werden auf persönlicher Ebene ausgetragen. Das ist doch irgendwie
frustrierend.
Mußten Sie in Ihrem bisherigen Leben bereits viele Niederlagen
einstecken?
Wem bleiben schon Mißerfolge und Niederlagen erspart? Mißerfolge sind oft Lektionen, aus denen es zu lernen gilt, um sich
weiterzuentwickeln.
Was haben Sie daraus gelernt?
Ich glaube, daß ich dadurch viel toleranter geworden bin, daß ich vieles oft mit anderen Augen sehe.
Ein kleinen Familienbetrieb steht und fällt mit dem Zusammenhalt der Familie, was sicherlich nicht immer ganz einfach ist. In jeder Familie gibt es schließlich unterschiedliche Meinungen. Das wird in Ihrem Falle nicht anders sein,
oder?
Privat- und Geschäftsleben sind in einem Familienbetrieb eng miteinander
verbunden. Somit sind Meinungsverschiedenheiten oft schon vorprogrammiert. Trotzdem habe ich nie an meiner Familie gezweifelt und ohne Zusammenhalt funktioniert so ein Familienbetrieb einfach
nicht.
Wann wurden Sie in die Geschäftsleitung des Betriebes
integriert?
Seit drei Jahren bin ich Mitinhaber und dadurch natürlich auch mitverantwortlich, wenn es um die Geschicke des Betriebes
geht.
Für das Mühldorfer Volksfest ist das Festzelt der Brauerei Unertl ein wichtiger Anziehungspunkt, eigentlich nicht mehr wegzudenken. Für Sie selbst und für Ihre Familie bedeutet das naturgemäß sehr viel Arbeit. Macht es trotzdem Spaß, immer noch
dabeizusein?
Das Mühldorfer Volksfest ist für uns von großer Bedeutung. Für unsere Brauerei ist das zwar ein extrem großer Aufwand, den wir
für betreiben müssen, aber es stellt zugleich auch die beste Werbung dar, die es für uns gibt. Natürlich auch nur, wenn das Festzelt gut geführt wird. Bei uns gibt es ausschließlich Weißbier zu trinken, was sich eigentlich erst in den vergangenen Jahren so richtig durchgesetzt hat. Grundsätzlich aber ist für uns die Brauerei und das Volksfest eine eminent wichtige
Symbiose.
Sie haben sich in den Ablauf des Betriebes voll eingegliedert, was bedeuten soll, daß Sie sich selbst überall dort einsetzen, wo es gilt »anzupacken«, egal um welche Art von Arbeit es sich handelt. Träumen Sie nicht manchmal davon, einfach nur die Beine auszustrecken, die Arbeit komplett zu delegieren und einfach nur Chef zu
sein?
Wer würde sich das nicht wünschen?
Bier zu brauen ist eine alte bayerische Tradition. Haben Sie dazu einen echten Bezug oder ist das für Sie eine Tatsache, die Sie
hinnehmen?
Jeder Mensch hat bestimmte Wurzeln. Das kann man auch in der heutigen Zeit nicht verkennen. Tradition ist ein wichtiger Bestandteil, auf dem man aufbauen, aber nicht stur beharren sollte. Tradition und Zeitgeist zu verbinden, ohne die Wurzeln zu vergessen, halte ich persönlich für die richtige
Lösung.
Was verlangen sie von Ihren Mitarbeitern?
Ehrlichkeit.
Und von sich selbst?
Ebenfalls Ehrlichkeit, und das bis zur letzten Konsequenz. Das Schlimmste für mich wäre Selbstbetrug. Am wichtigsten ist es nämlich, zu sich selbst zu stehen. Das ist vielleicht schwierig zu erklären, denn ich meine damit auch nicht die materielle Wahrheit. Es gibt auch eine Wahrheit die morgen schon Lüge sein kann. Mit Ehrlichkeit meine ich, daß ich etwas sage, hinter dem ich hundertprozentig stehen
kann.
Sind Sie süchtig nach Erfolg?
Nein, überhaupt nicht, süchtig auf gar keinen Fall. Natürlich versucht jeder auf seine Art und Weise Anerkennung zu finden, aber mich deshalb für süchtig zu halten, wäre absolut
übertrieben.
Ein Blick zurück in Ihrem Leben: Was würden Sie denn heute anders
machen?
Kurz gesagt: Ich würde heute alles etwas »gelassener« sehen.
Wer erfolgreich ist, gilt häufig als wohlhabend, stimmt
das?
Das ist reine Ansichtssache.
Was habt Wolfgang Unertl jun. von seinem Vater
gelernt?
Konsequent Dinge zu verfolgen, die einem wichtig sind. Mein Vater stellt für mich das beste Paradebeispiel in Bezug auf Konsequenz dar, das ich
kenne.
Haben Sie viele Freunde?
Diese Frage kann man so einfach gar nicht beantworten. Auf jeden Fall habe ich, von meiner Seite her gesehen, für mich wichtige Freunde, die sich auch hundertprozentig auf mich verlassen können. Gute Freunde erkennt man bekanntlich immer daran, daß sie genau zu dem Zeitpunkt da sind, wenn man sie dringend braucht. Dazu habe ich aber bisher noch keinem meiner Freunde einen ernsten Anlaß geben
müssen.
Was halten Sie von Helmut Kohl?
Er ist der Kanzler der Einheit. Er hatte das Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Zu seiner Person, politisch gesehen, möchte ich mich meiner Meinung
enthalten.
Und von seinem Kontrahenten Rudolf Scharping?
Er ist für die Politik ein zu blasser Typ.
Ein paar Worte zum Papst?
Ein jüngerer und aufgeschlossener Papst wäre mir lieber.
Gefällt Ihnen das neue Selbstbewußtsein der
Frauen?
Wie sich eine Frau diesbezüglich darstellen möchte, muß jede für sich selbst
entscheiden.
Haben es Frauen schwerer als Männer?
Es ist schwierig, diese Antwort in kurze Worte zu fassen. Beruflich haben es Frauen auf jeden Fall schwerer als
Männer.
Wie sehen Sie Ihr Verhältnis zum Feminismus?
Dazu habe ich gar kein Verhältnis, weil ich glaube, daß der Feminismus in Deutschland ein reines Machwerk der Medien ist. Wenn man in der langen Geschichte der Menschheit nachforscht, stellt man fest, daß sehr viele wichtige Entscheidungen von Frauen getroffen wurden. Frauen, die ein gesundes Selbstbewußtsein haben, brauchen den Feminismus
nicht.
Welchen Bezug haben Sie zu Ihrem Alter?
Ich habe gar keinen Bezug zu meinem Alter. Alter bedeutet für mich
Reife.
Würden Sie sich als moralisch bezeichnen?
Ja, ich würde mich als absolut linientreu bezeichnen.
Angenommen, Sie erhalten ein Paket aus Flensburg, das Sie nicht bestellt haben. Würden Sie
hineinschauen?
Selbstverständlich.
Dürfen Männer weinen?
Ja.
Haben Sie Schwächen.
Absolut.
Verraten Sie unseren Lesern auch welche?
Alle meine Schwächen hier aufzuzählen, würde den Platz dieser Seite sprengen, aber meine größte Schwäche, dies sei hier verraten, ist meine
Ungeduld.
Was amüsiert Sie?
Ich kann mich über viele Dinge amüsieren. Schadenfroh bin ich allerdings nicht. Guter Humor und Situationskomik amüsieren mich auf jeden Fall.
Über was können Sie sich freuen?
Über Erkenntnisse, die mich im Leben weiterbringen.
Was lesen Sie zu Ihrer Unterhaltung?
Geschichtsbücher, Biographien, Sachbücher über Astrologie und Naturheilkunde. Letztere Themen gehören übrigens zu meinen
Hobbys.
Gibt es noch ein berufliches Traumziel, das Sie gerne verwirklichen
würden?
Ja. Allerdings sei nur so viel verraten, daß es in die Richtung Lebenshilfe
geht.
Welchen Traum möchten Sie sich persönlich
erfüllen?
Das würde ich genauso beantworten, wie die vorherige Frage.
In welcher Reihenfolge, würden Sie die für Sie wichtigsten Menschen
nennen?
Eine Auflistung finde ich nicht gut, auf jeden Fall kommt meine Familie
zuerst
Gibt es für Sie ein Vorbild?
Wenn es für mich ein Vorbild gibt, dann sind es, rein von der Lebenseinstellung her betrachtet, Jesus und
Buddha.
Sind Sie ein glücklicher Mensch?
Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht mit ja oder nein beantworten möchte. Mein Ziel ist, je älter, um so glücklicher zu werden. Vor allem möchte ich nicht die ganze Zeit in der Vergangenheit leben, ohne die Gegenwart zu
sehen.
Was wären Sie ohne Ihre Familie?
Sehr einsam.
Was assoziieren Sie mit Mühldorf?
Meine Wurzeln.
Zum Schluß nenne ich Ihnen zehn Begriffe und Sie sagen uns bitte, was Ihnen spontan dazu einfällt. Ein Joker ist erlaubt.
Geld?
In der heutigen Gesellschaft wichtig.
Intelligenz?
Sein Wissen nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis
zuverwenden.
Alter?
Weisheit.
Familie?
Keimzelle jeder Gesellschaft.
Vereintes Europa?
Ein schwieriger Weg bis zur Verwirklichung.
Bier?
In Maßen sehr gesund.
Tod?
Erlösung.
Freizeit?
Loslassen.
Bayern?
Meine Heimat.
Herr
Unertl, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg für die Zukunft.
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