Die Wacker Chemie GMBH, das größte bayerische
Chemieunternehmen, ist weltweit tätig. Für die Bürger der Grenzstadt
Burghausen ist »Wacker« mehr als nur ein Name. »Wacker« bedeutet für die Mehrzahl der hier lebenden Bürger sichere Arbeitsplätze, Mut und Vertrauen in die Zukunft. Die STADTBROSCHÜRE besuchte den Mann, der das Werk Burghausen dieses weltweit tätigen Unternehmens leitet.
Mit rund 10.000 Arbeits- und Ausbildungsplätzen ist »Wacker« das bedeutendste Wirtschaftsunternehmen der Region. Die beiden Fragen, die in Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Rezession wohl allen Bürgern am wichtigsten erscheinen, lauten demzufolge: Wird dies auch in Zukunft so bleiben und was wird sich ändern?
Die Wacker-Chemie ist seit ihrer Gründung der größte Arbeitgeber in der Region und das Werk Burghausen ist für den Wacker Konzern weltweit die wichtigste Produktionsstätte. Wir wünschen uns alle und wir unternehmen auch alle Anstrengungen dazu, daß es so bleibt. Und ich glaube auch, daß das Werk
Burghausen diese Bedeutung im Wacker-Konzern halten wird. Fakten dafür sind die engagierten und gut ausgebildeten Mitarbeiter, sowie Produkte, die eine gute
Marktposition und weiteres Innovations- und Wachstumspotential haben und nicht zuletzt auch die hohen Investitionen, die im Werk Burghausen in Anlagen investiert werden - in diesem Jahr sind es weit über 300 Millionen DM. Wirtschaftlicher Erfolg ist von der Leistungsfähigkeit und der Stellung am Markt abhängig. Er ist aber zudem abhängig von nationalen und internationalen Randbedingungen. Als Stichworte darf ich hier nur »Standort Deutschland« und »globalen Wettbewerb« anführen. Das bedeutet für ein Unternehmen, das dauerhaft erfolgreich sein will, daß es sich ständig Anforderungen stellen, sich anpassen, ändern und innovativ sein muß
.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach »Wacker« für
Burghausen?
»Wacker« ist ohne Frage die größte und die entscheidende
Wirtschaftskraft für die Stadt Burghausen. Es sind zwar nur etwa 2.000 unserer 10.000 Mitarbeiter, das heißt etwa ein Fünftel, Bürger der Stadt Burghausen. Aber nicht nur die Familienmitglieder der Mitarbeiter, sondern ebenso eine Vielzahl von
Handwerksbetrieben, Gewerbetreibenden, die Banken, ja auch kulturelle
Aktivitäten sind in wirtschaftlicher Beziehung mit der chemischen Industrie zu sehen. Die Tatsache, daß der überwiegende Teil der Gewerbesteuereinnahmen der Stadt von der chemischen Industrie kommt, spricht für sich. Die wirtschaftliche Bedeutung der chemischen Industrie für die Stadt kam übrigens sehr schön in der Ausstellung »Burghausen auf Salz gebaut« zum Ausdruck. Der wirtschaftliche Aufschwung
Burghausens Anfang des 20. Jahrhunderts ist auf die Ansiedlung der chemischen Industrie zurückzuführen. Burghausen, fußend auf langer Geschichte, ist heute ohne Zweifel eine schöne liebenswerte Stadt, die sich durch viele Aktivitäten
hervorhebt.
Mit welchen Aufgaben beschäftigen sich die Wacker-Chemie GmbH, die Wacker Siltronic AG und die Vinnolit Kunststoff
GmbH?
Im Werk Burghausen ist die Wacker-Chemie GmbH mit drei ihrer vier Geschäftsbereiche, die jeweils für ihre Aktivität als Profitcenter handeln und dem Joint Venture
Vinnolit, vertreten. Diese sind: Die Herstellung von Reinstiliciumscheiben, dem Basismaterial der Chips für die Elektronikindustrie, die
High-Tech-Industrie mit hohem Zuwachs. Diese Reinstiliciumscheiben werden durch die Wacker Siltronic AG, eine 100%ige Tochter der Wacker-Chemie GmbH,
her- gestellt. Weiter: die Silicone, Kunststoffe und Hilfsstoffe, die durch ihre
Eigenschaf- ten in vielen Industrien und Anwendungen Besonderes leisten und deshalb vielseitig verwendet werden. Dann die Polyvinylacetatpolymere, eine Produktfamilie, die als Bindemittel in der Klebstoff-, der Bau-, der Textil- und Papierindustrie
Verwendung findet und als lösungsmittelfreie Produkte besonders umweltfreundlich sind. Nicht zu vergessen, das PVC: ein vielseitiger und bewährter Kunststoff, der
langlebig und recycelbar ist. Das Werk Burghausen ist eine der vier
Produktionsstätten der Vinnolit Kunststoff GmbH, ein Joint Venture der Hoechst AG und der
Wacker-Chemie GmbH zur Herstellung von PVC.
Können Sie uns einige Erfolgszahlen nennen?
Die Wacker Siltronic AG zählt zu den weltweit führenden Herstellern von
Reinstsilicium. Im Juli 1996 ging eine neue Fabrik zur Scheibenherstellung in den USA in Betrieb. Bei den Siliconen ist die Wacker-Chemie einer der weltweit tätigen Hersteller. Von
Polyvinylacetat-Dispersionspulvern, die bevorzugt in der Baustoffindustrie eingesetzt werden, ist die Wacker-Chemie GmbH sogar der
weltweit größte Produzent. Beim Massenkunststoff PVC ist die Vinnolit Kunststoff GmbH viertgrößter Produzent in Europa mit einem hohen Anteil an
Spezialprodukten.
Welche Aufgaben gilt es künftig zu meistern?
Ziel unseres Unternehmens ist es, mit innovativen Produkten auf
internationalen Märkten erfolgreich zu sein und das Geschäft auszuweiten. Bei allem Tun haben Umweltschutz und Sicherheit Priorität. Die Wacker-Chemie GmbH hat sich deshalb dem freiwilligen Programm der chemischen Industrie zu
selbstverantwortlichem Handeln und nachhaltiger Entwicklung zur Sicherung der Ressourcen für die Generationen nach uns verpflichtet. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte und unserer Standorte ständig optimieren. Dazu gehört auch eine Optimierung aller Prozesse im Unternehmen. Wir setzen auf kompetente
Mitarbeiter und investieren deshalb viel in Aus- und Weiterbildung. Wir brauchen ein unternehmerfreundliches Umfeld, und dazu erwarten wir Unterstützung von den Politikern und dem Gesetzgeber. Hierzu ist schon viel gesagt und geschrieben,
je- doch noch zu wenig verwirklicht worden. Auch die Verbesserung der Infrastruktur zählt dazu: Für das Werk Burghausen ist die Anbindung an unsere Kunden und Lieferanten durch den Bau der Autobahn A 94 ein dringendst notwendiger Schritt.
Welche Märkte könnten Ihrem Urteil nach zu einer weiteren Auslastung Ihres Unternehmens
beitragen?
Dies sind die Märkte in Ostasien, in denen die Wacker-Chemie
bisher noch zu wenig vertreten ist, aber auch für Amerika sind weitere
Wachstumsmöglichkeiten gegeben. Für die mittlere Zukunft denke ich, daß in den Ländern der ehemaligen Ostblockstaaten nicht nur Konkurrenz für uns durch Billigangebote,
sondern steigende Marktmöglichkeiten entwickelbar
sind.
Ist Deutschland dabei, den Zug zu verpassen? Sind wir nicht reformfähig genug?
Auch über diese Frage wird viel geschrieben und geredet. Das ist gut so! Es muß aber letztendlich auch zum Handeln führen. Wir haben das Problem der steigenden Arbeitslosigkeit. Unser Wohlstand beruht auf unserem hohen
Exportanteil an qualitativ hochwertigen Produkten. Gleichzeitig sehen wir uns aber wachsender Konkurrenz anderer aufsteigender Länder gegenüber, die billiger und ähnlich gut anbieten können. Ich kann nur die Forderung führender
Wirtschaftsexperten wiederholen: Mut zur Entwicklung und Umsetzung von neuen innovativen Produkten und Technologien, Schaffung von Anreizen für Investitionen,
Verbesserung der Standortfaktoren, Erniedrigung der Staatsquote, Schaffung von
Arbeitsplätzen. Aber auch weg vom Anspruchsdenken. Verzicht ist notwendig. Ich bin optimistisch und denke, daß wir, das heißt alle Bürger, sich diesen Aufgaben stellen werden und sie meistern können.
Wie ist es Ihrer Meinung nach heute um das Management in Deutschland
bestellt?
Ich glaube, daß Deutschland anteilig nicht über mehr oder weniger gute Manager verfügt als andere Länder. Ein wachsender Bedarf ist die
internationale Erfahrung und Kenntnis von Zusammenhängen in einem immer globaler werdenden Geschäft. Es ist Ziel unseres Unternehmens, die
Organisationsstrukturen so zu gestalten, daß Aufgaben und Verantwortung dorthin delegiert und dort wahrgenommen werden, wo sie hingehören. Ich hatte als Beispiel bereits unsere Geschäftsbereiche als Profitcenter, die wiederum in Busines Units gegliedert sind, angeführt. Zusammengeführt werden sie in der Geschäftsführung, die die Strategie vorgibt, über deren Umsetzung entscheidet und das Ergebnis kontrolliert. Meine Verantwortung als Werkleiter umfaßt die Koordination der Aktivitäten der
Geschäftsbereiche für ein optimales Zusammenspiel, den Umweltschutz, die Sicherheit und die Infrastruktur am
Standort.
Ist es auch eine Frage der Bezahlung, Leute zu bekommen, die in Ihrem Sinne tätig
sind?
Die geeigneten Mitarbeiter zu finden, ist sicher unter anderem auch eine Frage der materiellen Anreize, die eine Firma zu bieten hat. Aber es hat sich bei vielen Umfragen herausgestellt, daß das Betriebsklima, die
Fortbildungsmöglichkeiten, das Fortkommen, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und das Ansehen der Firma in der Öffentlichkeit ebenfalls eine wichtige Rolle für hochqualifizierte Bewerber
spielen.
In der Politik ist immerhin schon von einschneidenden
Sparmaßnahmen die
Rede.
Wie ich schon vorher sagte, wir müssen Abstriche in unserem
Anspruchsdenken machen, die Politik, die Wirtschaft, die Gewerkschaften, jeder
einzelne.
Wäre eine Bezahlung auch notfalls unter Tarif eine Möglichkeit der
Arbeitsplatzerhaltung?
Die Bezahlung unter Tarif wäre sicher eine Möglichkeit. Sie wird ja in anderen Ländern und teilweise sogar in Deutschland schon praktiziert. Sie darf aber nicht als einziges Mittel herangezogen werden. Lasten müssen möglichst
gerecht verteilt
werden.
Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie Mitarbeiter
entlassen müssen, die Ihrem Anspruch nicht gerecht
werden?
Es ist sicherlich keine erfreuliche Situation, aber ich glaube, man muß zueinander ehrlich sein, auch wenn man sich etwas nicht Angenehmes zu sagen hat und versuchen es zu sagen, ohne sein Gegenüber zu verletzen. Ich glaube, dies gilt für das Miteinander überhaupt.
Wie beurteilen Sie Ihr Verhältnis zur Stadtverwaltung
Burghausen?
Zur Stadtverwaltung Burghausen haben wir ein traditionell gutes
Verhältnis. Wir pflegen auch schon seit der Gründung unseres Werkes einen offenen Dialog und sind um eine gemeinsame Problemlösung bemüht. Dies ist uns bisher immer
gelungen
Welchen Einfluß übt Ihr Unternehmen auf politische
Entscheidungen in dieser Stadt
aus?
Es ist Kern unseres bewährten Umgangs miteinander, daß wir keinen politischen Einfluß nehmen
wollen.
Wenn es das Unternehmen »Wacker« in Ihrem Leben mal nicht gibt: Können Sie sich gut mit sich selbst beschäftigen?
Ja, ich glaube, daß ich sehr wohl vermag, mein Leben anders zu
gestalten. Ich habe eine Reihe von Interessen, für die ich zu wenig Zeit finde,
beziehungsweise Dinge, die ich außerdem gern tun würde. Die Nagelprobe steht
allerdings aus.
Die Frau an Ihrer Seite muß sicherlich sehr verständnisvoll sein, denn Ihr Terminkalender ist stets randvoll, heute hier und morgen da. Begleitet Sie Ihre Frau auch hin und wieder auf
Dienstreisen?
In meiner Frau habe ich eine verständnisvolle Partnerin, die mir den Rücken freihält. Sie sorgt für Harmonie und Ausgleich zu meiner beruflichen
Belastung.
Was bedeutet Ihnen Umweltschutz?
Wie ich schon sagte, hat Umweltschutz bei Wacker einen hohen Stellenwert. Er gehört, wie die Sicherheit, zu unseren vorrangigen
Unternehmenszielen. Sie sind nicht nur Bestandteil unserer Unternehmensleitlinien, sondern sie sind auch in unserem Leitfaden »Verantwortliches Handeln bei Sicherheit,
Gesundheit und Umweltschutz« für alle Mitarbeiter verbindlich festgeschrieben. Ich
persönlich sehe mich als Naturliebhaber. Mir ist der Erhalt unserer schönen Umwelt ein Anliegen. Allerdings verstehe ich unter Naturschutz nicht Denkmalschutz, bei dem alles so zu bleiben hat, wie es einmal war oder ist. Die Natur führt uns vor
Augen, daß sie durch Wandel
gestaltet.
Stichwort SV Wacker. Gilt diesem Sportverein auch Ihr ganz eigenes
Interesse?
Sport ist ein wichtiger Ausgleich zum Beruf und er dient zur Freude des Menschen. Wir sind stolz auf unseren Sportverein mit seinem vielseitigen
An- gebot, der für alle Bürger offen ist. Im Ausbau des Sportparks des SV Wacker zeigt sich unter anderem das gute Zusammenwirken von Unternehmen und Stadt Burghausen zum Wohl der Sportler. Natürlich sind wir stolz auf besondere
Leistungen unserer Sportler und auf unsere Fußballmannschaft, die in der Regionalliga Süd das zweite Jahr spielen
wird.
Kindergärten und Werkswohnungen Ihres Unternehmens
wurden bereits in andere Hände gegeben. Wird es weitere Einsparungen im sozialen Engagement Ihres Unternehmens
geben?
Daß sich Wacker vom werkseigenen Kindergarten getrennt hat, daß einige Werkswohnungen verkauft wurden beziehungweise keine neuen gebaut
wer- den, ist nicht als sozialer Abbau zu sehen. Es ist nicht zuletzt auch eine Anpassung an veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen. Wir sehen darin heute auch nicht die Aufgabe des Unternehmens. Wacker hat eine Reihe von freiwilligen sozialen Leistungen neu eingeführt, so zum Beispiel eine Beteiligung aller Mitarbeiter am Unternehmensergebnis durch eine Erfolgsbeteiligung und eine jährlich zu
vergeben- de zusätzliche persönliche Leistungsprämie. Auch das Betriebliche
Vorschlagswesen, das Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern prämiert, ist hier anzuführen.
Gibt es bei Wacker nichts zu verändern?
Festhalten am Bestehenden kann nicht zielführend sein.
Veränderungen müssen sein! Dies gilt in ganz starkem Maße für ein Unternehmen, das
wachsen und gedeihen möchte. Was nicht zuletzt auch dem Wohl der Mitarbeiter
dient.
Ist Nationalität für Sie etwas, worauf Sie stolz
sind?
Wacker ist ein international tätiges Unternehmen. Wir haben ein weltweites Vertriebsnetz und Produktionsstätten auf fast allen Kontinenten. Wenn wir global handeln, dann müssen wir auch global denken. Ich denke, die Zukunft gehört nicht dem Nationalismus, sondern allen Menschen dieser Welt, was aber genauso heißt, daß ich mich dennoch als Deutscher, ja Bayer fühle, und darauf stolz
bin.
Herr Dr. Wiest, wir danken Ihnen für dieses Interview und
wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.
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