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JOHANN BREHM 

Bauplaner
Edition: Burghausen 2011

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Architektur-Philosophie
Das Thema „Bauen & Wohnen“ ist überaus komplex und von vielen Seiten aus zu betrachten. Hier zum Beispiel aus Sicht des Bauplaners Johann Brehm

 


Herr Brehm, wie sieht die Stadt der Zukunft aus?
 
Bezogen auf Burghausen ist die Frage einfach zu beantworten. Die Stadt besitzt schon immer ein Alleinstellungsmerkmal, da sie eine Stadt mit besonderen Eigenschaften ist. Burghausen ist individuell, stark unterscheidbar, von einem ganz eigenen Bild geprägt, ­besitzt ihre eigene Physiognomie und sie ist etwas ­Besonderes - nicht nur im baulich, räumlichen Bereich. Burghausen hat auch ihre eigene Logik die sich entwickelt, ihre eigene kulturelle Tradition, ihr eigenes Milieu, ihre eigene Umgangsform in der Stadtgesellschaft. Ich denke, wenn sich Bürger, Politiker und Wirtschaftstreibende darum bemühen, dass Burghausen immer etwas Besonderes bleibt, dann brauchen wir uns um die Zukunft dieser Stadt keine großen Sorgen machen. Für mich ist Burghausen schon jetzt eine Stadt der Zukunft.
Es wird sich also nicht sehr viel ändern?
Insgesamt gesehen wird sich schon etwas ändern müssen. Unsere Städte müssen wesentlich ökologischer werden. Das hat sehr viel damit zu tun, wie wir bauen und es hat sehr viel damit zu tun, wie wir den Verkehr organisieren. Über 70 Prozent der Energie verbrauchen wir in Deutschland für Gebäude, für deren Beheizung, Kühlung oder Beleuchtung und für den Verkehr. Und diese beiden Themen werden in den Städten bearbeitet. Die Häuser müssen wesentlich energieeffizienter werden, dezentrale Versorgungsnetze werden kommen, quartiersbezogene Optimierungsstrategien müssen gefahren werden. Und wenn Sie mich nach der Zukunft fragen, dann werden wir es sicherlich noch erleben, dass Städte im Wesentlichen ohne ölbetriebene Autos funktionieren müssen. Traditionelle Verkehrsmittel, die heute noch belächelt werden, wie zum Beispiel das Fahrrad, werden wieder an Bedeutung gewinnen - zumindest innerstädtisch gesehen.
Inwieweit bringen Sie Ihren Beruf bei diesen Themen ein? Was ist das Aufgabenfeld Ihres Unternehmens? 
Mein Tätigkeitsspektrum bezieht sich in erster Linie auf das Planungs- und Bauleitungsbüro für Hochbau. Wir beschäftigen uns hier mit zentralen und dezentralen Immobilien - Gebäude, Hausgruppen und Wohnanlagen, aber auch mit Hotels, Geschäftsgebäuden, Märkten und Außenanlagen. Darüber hinaus fungiere ich auch als Bauträger für Immobilien, beschäftige mich mit der Erstellung von Wohnanlagen für Teileigentümer und kümmere mich um deren Vermietung und Verpachtung. Als drittes Standbein darf ich noch unsere Hausverwaltung aufzählen, die sich der Verwaltung, Vermietung und Verpachtung von Gewerbe- und Wohnbereichen widmet.
Auf welches Ihrer Projekte sind Sie besonders stolz?
Da gibt es schon einige. Aber nennen möchte ich hier unser Projekt in der Friedrich-Ebert-Straße vier und sechs - Baujahr 1990. Diese ­Objekte wurden seinerzeit von mir mit zwölf Millionen DM realisiert, und zwar unter Zuhilfenahme einer äußerst schwierigen Finanzkonstruktion. Vorgestellt wurde dieses Projekt seinerzeit einer Bank im Landkreis, die allerdings einen Eigenkapitalanteil von 2,4 Millionen DM für notwendig hielt.
Den Sie dann bereitstellten.
Natürlich nicht. War gar nicht möglich. Ich habe den seinerzeit verantwortlichen Herren dann klar gemacht, dass ich mich mit einem Eigenkapital von 2,4 Millionen DM lieber auf den Weg in die ­Toskana machen und dort von den Zinsen leben würde, als dass ich mich mit meiner Wirtschaftlichkeitsberechnung und mit meinem Modell vor ihnen hinsetzen würde, um Ihnen das Projekt zu erklären. Ich habe das Projekt dann auf andere Art und Weise zustande gebracht, worauf ich eben heute noch sehr stolz bin.
Gab es noch andere Projekte, an denen Sie sich besonders gerieben haben?
Da fällt mir jetzt nur der Burghauser Stadtsaal ein, der 1980 umgebaut wurde - und zwar unter ganz schwierigen Bedingungen. Ich war damals verantwortlicher Bauleiter in einem Burghauser Architekturbüro und zeichnete für die Bauleitung sowie für den Ausbau verantwortlich.
Wie wichtig finden Sie es, Ihre Stadt mitzugestalten? Was haben Sie für Möglichkeiten?
Wir können in ­erster Linie ansprechende Architektur in den Baulücken anbieten sowie Lösungen zur Errichtung von Anlagen, die dem Stadtbild entsprechen, was ich in Bezug auf die einzigartige Schönheit und Tradition unserer Stadt schon für sehr wichtig halte.
Was ist für Sie persönlich ein gelungenes Beispiel, bei dem Bürger an der Gestaltung Burghausens mitgewirkt haben?
Da fallen mir spontan zwei Hotels ein, die ich im Bezug auf Ihre Frage nennen möchte. Zum einen das Hotel Glöcklhofer, das nach dem Brand wieder neu aufgebaut worden ist, aber auch das Hotel Lindacher Hof, gleich hier in meiner Nachbarschaft. Da wurde seitens der Inhaber, die ja Bürger Burghausens sind, über das übliche Maß hinaus einiges unternommen, um das Gesamtbild entsprechend abzurunden und somit auch für ein entsprechendes Ambiente zu sorgen.
Was würden Sie sich für Burghausens Stadtbild in Zukunft wünschen?
Im Zuge des Neubaus eines Einkaufscenters sehe ich es als dringend notwendig an, die Geschäftshäuser entlang der Marktler Straße zu sanieren, oder, aufgrund ihres Alters, neu aufzubauen. Als wirtschaftlich nicht zu verantworten sehe ich es an, nur Reparaturen durchzuführen und alles beim Alten zu belassen. Die Wertigkeit der Vermietung sinkt dadurch von Jahr zu Jahr.
Wer sind Ihre Hauptauftraggeber?
Unsere Auftraggeber sind Hauseigentümer, die entweder sanieren oder neu planen lassen, zum anderen auch Investoren, die sich im größeren Stil auf Um- oder Neubauten sowie Erweiterungen im Geschäfts- und Hotelbereich, aber auch auf den Wohnungsbereich spezialisiert haben. 
Gibt es auch Aufträge städtischer Natur?
Ja, wir sind auch für die BuWoG tätig, die für Burghausen sehr wichtig ist, arbeiten für die gleichfalls sehr wichtige Wirtschaftsförderung der Stadt Burghausen, die sich sehr für die Strukturen in unserer Stadt einsetzt.
Was sind die dringendsten Probleme, denen sich Planer, Politiker und Bürger stellen müssen?
Ich finde, die Bebauungspläne sollten noch besser auf die Bedürfnisse der Geschäftsleute, der Eigentümer, der Kaufinteressenten sowie der ­privaten Eigenheimbauer abgestimmt werden. Meiner Meinung nach wird hier noch zu viel ­reglementiert, noch zu viel eingegriffen in deren persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
Was kann in Sachen Bürgerbeteiligung am Stadtbild aus Ihrem Blickfeld optimiert werden?
Die Hauseigentümer können nur mit der Renovierung oder mit einem Neu- oder Umbau Zeichen setzen und für eine Modernisierung sorgen. Eine positive Bürgerbeteiligung würde ich auch darin sehen, dass so mancher Besitzer von Grundstücken in den Zentrumslagen, diese zur Bebauung freigibt.
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf bei der ­Sanierung der Stadt?
Die Sanierung der Neustadt, die ja vor einigen Jahren begonnen wurde, ist unbedingt notwendig in der vorgefundenen Form weiterzuführen.
Thema Altstadt.
Für die Altstadt sind Renovierungen der vorhandenen Substanzen und Umbau in schöne Wohnungen für Familien mit Kindern ein Thema. Dazu einen Nahversorger, wie wir ihn jetzt mit der Edeka installiert haben, mehrere neue Fachgeschäfte und ein Ausbau der vorhandenen Erlebnisgastronomie. Der geplante Burgaufzug wird ganz sicher für eine weitere ­Belebung der Altstadt sorgen.
Gibt es schon Reaktionen auf den Klimawandel? 
Ja, die gibt es. Und zwar in der Form, dass sich jeder Bauherr heute genauestens über die neuen, effizienten Bauweisen sowie über die Wirtschaftlichkeit informiert, zukünftig auf fossile Brennstoffe zu verzichten.
Worin sehen Sie die künftige Herausforderung für Planer? 
In erster Linie bei einer Gestaltung, die dem Ortsbild entspricht, aber auch bei Grundrissen, die funktionsgerecht sind und wirtschaftlich abgestimmt werden können.
Hat sich das Aufgabenfeld in den letzten Jahren verändert?
Eigentlich nicht. In den letzten 30, 40 Jahren ist vieles gleich geblieben, da es immer schon Modernisierungen und Lückenbebauungen gegeben hat und natürlich auch immer Neubauten, die dem modernen Standard zu entsprechen hatten.
Für welche Person der Zeitgeschichte hätten Sie gern gebaut und was? 
Für Sie vielleicht. Aber jetzt mal im Ernst, eine Person fällt mir da gar nicht ein, eher schon die Idee einer kompletten Stadt- oder Zentrumsentwicklung mit vielen Umbauten, Ergänzungen und auch Neubauten, die dann in einer Fußgängerzone münden oder zumindest in deren Nähe.
Wenn Sie Bauherr wären: Wie suchen Sie Ihren Architekten? 
Mein Architekt müsste in erster Linie effizient bauen, sich gestaltungssicher zeigen und sich vor allem auch an den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse orientieren können.
Andernorts machen sich die Sparzwänge der Kommunen bemerkbar. Wie sieht es mit Burghausen aus? 
Burghausen ist in dieser Beziehung auf der Insel der Seligen und kann es sich erlauben, Projekte zu planen und dann auch umzusetzen, von denen andere nur zu träumen wagen.
Die Gefahr, dass kommerzielle Projekte die Bedürfnisse der Bürger nicht erfüllen, scheint bei einem Bürgermeister wie Hans Steindl ja ausgeschlossen zu sein, oder?
Die ist ganz sicher ausgeschlossen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung im Allgemeinen und mit dem Perfektionisten Hans Steindl im Besonderen?
Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, und hier insbesondere der Bauverwaltung, möchte ich schon als sehr effizient bezeichnen. Wir haben keinerlei Berührungsprobleme, und das läuft schon über 35 Jahre so. Mit Hans Steindl ist es allerdings schon sehr anstrengend, weil er, wie Sie schon in der Frage richtig andeuten, ein absoluter Perfektionist ist, der wirklich alles bis ins kleinste Detail hinterfragt.
Ein alter Schulfreund.
Was aber nichts daran ändert. Wenn er sich allerdings entschieden hat, geht es dann rasend schnell voran.
Kommen wir zu Steindls derzeitigem Lieblingsthema, der Nachverdichtung der Innenstadt. Sind Sie in dieses Thema involviert? 
Ja, in dieses Thema bin ich schon involviert, da mir ja sehr viele Grundstückseigentümer persönlich bekannt sind und natürlich immer wieder neue Lösungen gesucht werden, um die ­geplanten Lückenbebauungen durchzuführen.
Bereuen Sie selbst eines Ihrer Bauvorhaben? 
Nein.
Ein Wort zu den Handwerksbetrieben. Finden Sie hier die Kompetenz, die Sie zur Umsetzung Ihrer Ideen benötigen? 
Auf alle Fälle. Wir verfügen in Burghausen und in unserer Region über eine große Zahl an hervorragenden Handwerksbetrieben und Bauunternehmen, die absolut auf dem aktuellen Stand und dabei auch extrem schlagkräftig und sehr zuverlässig sind. 
Welches Projekt würden Sie gerne als nächstes in Angriff nehmen? 
Die nächsten Projekte sind zentrale Anlagen in Altötting, hinzu kommen Wohnanlagen in Burghausen und, wie ich hoffe, eine Grundstücksoffensive.
Die Architektur hängt oft mit finanziellen und wirtschaftlichen Aspekten zusammen. Ärgert Sie das? 
Einerseits ärgert es wohl jeden Planer, wenn seine Ideen am Geld scheitern, andererseits ist es aber auch ganz normal, dass zunächst die ­finanzielle Ausstattung geklärt wird bevor ein Planungsauftrag erteilt wird.
Auf was legen Bauherren heute besonders Wert? 
Effizienz und Schnelligkeit. Letzteres resultiert daraus, dass der Planungszeitraum oftmals nur ganz kurz bemessen ist, weil sich der Auftraggeber lange nicht entscheiden wollte, plötzlich dann aber alles sehr schnell gehen muss. Damit muss man leben - zumindest als Planer.
Ist Innenarchitektur in Ihrem Planungsbüro ein Thema? 
Wir bedienen uns hier eines Partnerbüros.
Wie gestalten Menschen, deren Beruf es ist, für Andere Raum zu schaffen, ihre eigenen Refugien? Wo und wie wohnen Sie? 
Wir wohnen in einem renovierten Anwesen auf dem Land mit schönem Blick auf Burghausen und sind auch in einer Penthauswohnung im Stadtzentrum zuhause.
Was halten Sie von dem Begriff „Stararchitekt“? 
Es gibt für mich nur einen Stararchitekten, das ist der renommierte britische Architekt Norman Foster, der unter anderem auch für die Berliner Reichtagskuppel verantwortlich zeichnete.
Bedienen Sie sich eines Netzwerks? 
Aber natürlich, ohne ein durchstrukturiertes Netzwerk in allen Bereichen geht es gar nicht. Wir haben Kooperationspartner für Statik, für Brandschutz und effiziente Gutachten.
Nachhaltigkeit ist das Schlagwort der Zeit. Wir bauen nachhaltig, wir kaufen nachhaltig ein. Was kann man als Planer da beisteuern?
Die größte Nachhaltigkeit ist die Lage, und als Planer kann man dazu attraktive Grundrisse und erweiterungsfähige Geschäftsgebäude beisteuern.
Gibt’s Heimwerker-Qualitäten?
Nein, absolut nicht.
Wie sehen die unerfüllten Träume des Johann Brehm aus?
Handicapverbesserung im Golf.
Wie sammeln Sie neue Kraft für Ihren Beruf?
Entspannung bietet mir in erster Linie das Golfspielen in der freien Natur, außerdem betreibe ich ein wenig Wassersport in Form von segeln und ab und zu fahre ich auch mit meinem Motorrad.
Die letzte Frage: Was ist die große Herausforderung der Gegenwart? 

Die sehe ich darin, die Wirtschaftlichkeit stabil und die Lebensqualität auf dem Stand zu halten, den wir derzeit haben. Bezogen auf Burghausen sehe ich es auch als große Herausforderung an, zukünftig der Errichtung von Einkaufsmärkten an neuen Außenstandorten Einhalt zu gebieten. Wichtig sind in Zukunft die ­Citylagen, verbunden mit der Modernisierung und sinnvollen Ergänzung vorhandener Standorte, um sie für die nächsten 20 bis 25 Jahre fit zu machen.
Herr Brehm, vielen Dank für das Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG