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DR. MARTIN GEIGER  

Bürgermeister
Edition: Wasserburg am Inn 1996

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Ein Anruf genügte und schon hatte die STADTBROSCHÜRE einen Gesprächstermin mit dem Mann, der auch in den nächsten sechs Jahren wieder die Geschicke der Stadt leitet - mit Wasserburgs Bürgermeister Dr. Martin Geiger. Dass auch ein Bürgermeister mit täglich anfallenden Problemen und mit unpopulären Entscheidungen zu Kämpfen hat, kann man sich sicherlich denken. Es jedem Recht zu tun, ist oftmals kapriziös und zeitaufwendig. Aber Dr. Martin Geiger nimmt seinen Amtstitel »Bürgermeister« sehr ernst. Ein kurzfristiger Gesprächstermin mit ihm ist kein Privileg der STADTBROSCHÜRE, denn wenn es ihm um die Amtsgeschäfte geht, ist er hochmotiviert und weicht keiner Frage aus. In der STADTBROSCHÜRE redet er Klartext.

 

Herr Dr. Geiger, wir gratulieren zur Wiederwahl. Wie beurteilen Sie selbst das Ergebnis der diesjährigen Kommunalwahl? 

Das muss man differenziert sehen. Zunächst ist die Ausgangsposition für amtierende Bürgermeister in dieser Wahl problematisch gewesen, das sehen Sie an den Ergebnissen vor allem in den großen Städten: Ein Herausforderer hat es von Haus aus leichter. Er braucht nicht mal mit einem Sachprogramm anzutreten, nicht einmal negativ kommentieren was geschehen ist. Er braucht sich nur halbwegs vernünftig zu präsentieren. Das ist in Wasserburg geschehen, mit sehr viel Aufwand, auch in finanzieller Hinsicht. Der Wahlkampf ist taktisch geschickt angelegt worden, indem man die politischen Exponenten der SPD einige Wochen lang versteckt hat und die groben Arbeiten durch Hilfstruppen hat erledigen lassen, also nicht durch die Partei des Gegenkandidaten, sondern die Gruppen, die ihn mit unterstützt haben. Das Zweite, das man feststellen muss, ist die ungewöhnlich geringe Wahlbeteiligung von circa 60%, weil offensichtlich sehr viele Wähler geglaubt haben, der Amtsinhaber wird ja sowieso wieder gewählt, da gehen wir lieber zum Skifahren oder jedenfalls nicht zur Wahl. Bei uns war dieses Verhalten extrem, wir sind im Landkreis, glaube ich, die Zweit- oder Drittschlechtesten. Das kommt natürlich auch einem Herausforderer zugute, denn das ganze Protestpotential ist sehr mobilisiert, die ganze Klientel geht zur Wahl. Insofern braucht man sich über das Ergebnis nicht zu wundern. 

Liegt das an der Politikverdrossenheit?

Ich sage immer, bei der Kommunalwahl kann und darf es keine Politikverdrossenheit geben. Hier hat es jeder Bürger selbst in der Hand, mitzumachen und Verantwortung mitzuübernehmen. Und zwar nicht nur als Mandatsträger oder als Kandidat, sondern auch als Bürger. Er ist gefordert und er ist in eine Gemeinschaft eingebunden, in der man sich gegenseitig kennt. Er ist auch in der Lage, in Vereinen, Verbänden oder Organisationen zum Gemeinschaftsleben bei- zutragen. Und wenn er das nicht macht, wenn er diese Verantwortung nicht wahr- nimmt, dann hat er kein Recht, sich hinterher zu beschweren oder verdrossen zu sein.

Wie würden Sie das Klima in den Fraktionen untereinander beschreiben? 

Wie es nach der Wahl wird, kann ich noch nicht beurteilen. Wir haben verhältnismäßig wenig neue Leute in den Stadtrat bekommen und ich gehe insofern davon aus, dass sich die, die bisher im Stadtrat gewesen sind, nicht wesentlich ändern werden. Also müssen wir fragen, wie das Klima zwischen 1990 und 1996 war. Das war dadurch gekennzeichnet, dass leider einige Mitglieder sich als Exponenten politischer Richtungen gesehen haben, als Ideologen, etwas, wofür ich kein Verständnis habe. Im Stadtrat spielen wir ja nicht Regierung und Opposition, sondern arbeiten für das Gemeinwohl zusammen. Da dürfte eigentlich ein solches Taktieren keinen Platz haben. Die Sacharbeit leidet sehr unter solchen Grundeinstellungen, die sich ja auch in der Argumentation niederschlagen. Ich hoffe aber, dass dieses Wahlergebnis zum Nachdenken Anlass gibt, weil sich so wenig verschoben hat und weil gerade die Exponenten besonderer Richtungen in der Wahl nicht den Erfolg hatten, den sie sich vielleicht erhofften. Ich hoffe, dass man sich in der neuen Legislaturperiode von Anfang an wieder sehr viel stärker auf Sachentscheidungen konzentriert. Ich bin seit 24 Jahren im Stadtrat und wenn man feststellt, dass in den letzten sechs Jahren das Klima der Zusammenarbeit schlechter geworden ist, dann kann es kaum an mir liegen, denn ich war ja die 18 Jahre vorher auch derselbe. Der Versuch, die Ideologie auch in die Entscheidungen des Stadtrats miteinzubringen hat dazu geführt, dass sich manche immer mehr von der Sache entfernten. Und je mehr man ideologisch festgelegt ist, desto radikaler muss man einen Standpunkt vertreten. Es wird die Konfrontation um jeden Preis gesucht, weil man sich in der Gegenposition profilieren muss. Das war früher, vor 1990, nicht in dem Maße der Fall.

Erklären Sie uns bitte die Zukunft im allgemeinen: Was wird sich Ihrer Meinung nach ändern? 

Allgemein wird die kommunale Handlungsfähigkeit zunehmend ein- geschränkt. Der Gesetzgeber überträgt immer mehr Aufgaben auf die Kommunen mit immer weniger Finanzausstattung und unsere grundsätzliche Finanzausstattung ist in den letzten Jahren zusätzlich sehr stark reduziert worden. Ich erwähne nur wenige Stichworte: Gewerbesteuerreformen mit dem Ziel, die Gewerbesteuer zurückzuführen, ohne dass wir Kommunen dafür einen Ausgleich von irgendeiner anderen Seite bekommen hätten, oder Fonds Deutscher Einheit. Unabhängig von diesen Einschnitten in die Finanzausstattung führt die zusätzliche Aufgabenübertragung mit zunehmenden Ausgaben dazu, dass unsere Handlungsspielräume sehr viel enger werden, was sich natürlich zunächst im Investitionsbereich bedenklich aus- wirkt. Die Kommunen hatten in der Vergangenheit zweidrittel aller öffentlichen Investitionen getragen. Wenn jetzt diese Mittel fehlen, im Landkreis Rosenheim macht der Betrag zum Fonds Deutsche Einheit jährlich allein etwa 20 Millionen aus, dann fehlen uns diese Mittel als Investitionsvolumen mindestens in dreifacher Höhe. Dies sind Mittel, die der regionalen und der örtlichen Wirtschaft zugute kämen und somit auch Arbeitsplätze fördern würden. Auf der anderen Seite dieser Betrachtung sehe ich auch die Chance, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können und uns auf das zu beschränken haben, was unabdingbar ist. Dazu gehört für mich vor allen Dingen, dass wir unsere vorhandenen Einrichtungen leistungsfähig erhalten und zeitgemäß ausbauen. Bevor wir etwas Neues anfangen, dürfen wir das Alte nicht verwahrlosen lassen. Und wenn dann noch Mittel zur Verfügung stehen, dann wird man meines Erachtens vor allen Dingen die soziale Infrastruktur unterstützen müssen. Dazu gehört zum einen die Sicherung von Arbeitsplätzen durch rechtzeitige Ausweisung und Erschließung von Gewerbegebieten, damit im Bedarfsfall kurzfristig reagiert werden kann und zum anderen die Stärkung der Infrastruktur im eigentlichen sozialen Bereich, was gerade in Zeiten eingeschränkter finanzieller Möglichkeiten bedeutet, auch Vereins- und Verbandstätigkeiten zu unterstützen. Denn was die Vereine, Verbände und Organisationen gerade in dieser Hinsicht leisten, können wir selber nie finanzieren. 

Wird die Altstadt wieder direkt an das Bahnnetz angeschlossen?

Wir arbeiten daran. Die Wiederherstellung der Strecke zwischen Reitmehring und Wasserburg/Stadt ist im Moment das Problem. Wir haben uns, wie auch der Landkreis, bereit erklärt, die Bahnlinie und die Streckeneinrichtungen zu übernehmen und ich hoffe, dass es bald wieder möglich sein wird, mit dem Zug bis in die Altstadt zu fahren.

Bürgernähe ist zunehmend gefragt. Wird es zukünftig innerhalb der Stadtverwaltung ein erweitertes Angebot geben?

Ich wüsste nur wenig, was sich da noch erweitern ließe. Bürgernähe ist leider ein Schlagwort geworden, das viele als Ausrede benutzen. Jeder, der sein privates Interesse vertreten sehen will, es aber nicht durchsetzen kann, redet gleich von Bürgerferne. Für mich bedeutet Bürgernähe im Grunde, dass jeder, der ein An- liegen hat, das die Stadt berührt, seinen Ansprechpartner bei der Stadtverwaltung hat. Wir müssen das aber auch unter finanziellen Gesichtspunkten sehen und dürfen auf der einen Seite nicht immer den Abbau von Verwaltung und Personalkosten fordern, gleichzeitig aber verlangen, dass ständig ein Mitarbeiter nur darauf wartet, dass jemand kommt. Wenn ich beispielsweise immer wieder Klagen darüber höre, dass ich nicht erreichbar sei, dann muss auch erklärt werden, weshalb ich nicht oder nur schwer erreichbar bin. Die Fremdbestimmung in diesem Beruf erzwingt eine äußerste Disziplin und Ökonomie im Umgang mit der Zeit. Ein Arzt sitzt auch nicht in seinem Sprechzimmer und wartet bis jemand kommt. Bürgernähe bedeutet aber auch Offenheit auf beiden Seiten. So wie wir versuchen, dem Bürger bei seinen Problemen zu helfen, so müsste es auch umgekehrt sein. 

Bürgernähe bringt aber sicherlich auch Probleme mit sich. Ist es da nicht oft schwer, Privatleben und Bürgermeisteramt zu trennen?

Damit habe ich vor allem deswegen keine Probleme, weil ich nicht aus Wasserburg stamme, also hier weder verwandtschaftlich noch wirtschaftlich in irgendeiner Weise gebunden bin. Insofern habe ich es auch nie als Nachteil empfunden, dass ich kein Wasserburger bin, sondern immer nur als Vorteil. Das erfordert natürlich auch sehr große persönliche Einschränkung und Zurückhaltung. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber ich halte es auch für die Pflicht eines Bürgermeisters, durchaus auch auf Kosten von Wählerstimmen hier Zurückhaltung zu üben.

Haben Sie ab und an ein schlechtes Gewissen, wenn Sie einem Bürger einen negativen Bescheid geben müssen? 

Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, auf jede Frage das zu antworten, was ich für richtig halte. Wenn ich also angesprochen werde, dann weiche ich nicht aus oder verstecke mich hinter Ausschüssen oder Stadträten. Deren Entscheidung ist selbstverständlich immer vorbehalten. Aber wenn ich per- sönlich gefragt werde, dann gehe ich davon aus, dass der Bürger von mir eine persönliche, ungeschminkte Antwort will und nicht nur Schulterklopfen und hinterher wird es doch anders. Wenn mich deswegen jemand nicht wählen kann, dann ist das sein Problem, nicht meines.

Welchen Anteil haben Sie an der Personalpolitik im Rathaus?

Ich meine einen entscheidenden. Es gehört zu den Aufgaben eines Behördenleiters, dass er den Personalkörper der Verwaltung auch formt und gestaltet.

Wie beurteilen Sie den Wohnungsmarkt in Wasserburg? Ist das Angebot gerade für junge Familien mit kleinen Kindern ausreichend?

Wir können dies natürlich nicht spezifizieren. Wir hatten noch vor wenigen Jahren ständig folgendes Problem: Es gab überdurchschnittlich viele Wohnungsanfragen, leider aber auch relativ hohe Mieten. Allein bei der Stadtverwaltung waren regelmäßig bis zu 180 Wohnungsbewerbungen vorgemerkt. Geholfen hat uns unser sehr hoher, weit überdurchschnittlicher Bestand an Sozialwohnungen und Wohnungen, für die wir das Vergaberecht haben. Ich glaube nicht, dass es in Oberbayern oder im südöstlichen Bayern eine Stadt vergleichbarer Größe gibt, die den Wohnungsmarkt in ähnlicher Weise beeinflussen kann. Was wir aber nicht hatten, das waren Neubauwohnungen. Es gab über Jahre hinweg keine Neubautätigkeit, weil das Stadtgebiet ja so eingeengt gewesen ist. Deshalb war es mein Bestreben, möglichst viele Wohnungen errichten zu lassen, damit sich der Wohnungsmarkt entspannte. Wir haben inzwischen wieder leerstehende Wohnungen und die bewirken, dass die Mieten auf ein vernünftiges, marktgerechtes Niveau zurückgehen. 

Wie sehen Sie die wirtschaftliche Lage Ihrer Stadt?

Derzeit ist sie sehr gut. Nur muss man auch sehen, dass es nicht unser privater Verdienst ist, dass wir im Arbeitsamtsbezirk Rosenheim so wenig Arbeitslose haben. Wir haben eine sehr gesunde, gemischte Struktur, keine Monostruktur. Wir sind also nicht von ein oder zwei Betrieben abhängig. Darüber hinaus hat Wasserburg eine Vielzahl guter, gesunder Unternehmen, auch einige Großbetriebe, wie die milchverarbeitenden Betriebe, Maschinenbau-, Plastik- und Arzneimittelunternehmen, gesundes Handwerk und eine relativ breite und ausgewogene Basis, die auch intern konjunkturelle Einbrüche verdauen kann. Falls allerdings die große Konjunktur einbricht, dann haben wir, wie andere Gemeinden auch, Probleme. Aber derzeit ist unsere wirtschaftliche Position außerordentlich günstig. 

Decken Sie Ihren persönlichen Bedarf auch hier in Wasserburg? 

Ja, fast ausschließlich. Dadurch lernt man die Vielfalt des Angebots kennen.

Was fehlt Ihrer Meinung nach noch in Wasserburg, wo sehen Sie Chancen für Jungunternehmer?

Das kann ich schlecht beurteilen. Wir haben vor drei Jahren ein Wirtschaftsgutachten erstellen lassen, das sich allerdings weitgehend auf die Probleme des Handels beschränkt hat, weniger auf das produzierende Gewerbe. Beim letzteren hatten wir jahrelang einen Engpass bei den Arbeitskräften und wir sind auch nach wie vor in der glücklichen Lage, dass weithin Vollbeschäftigung herrscht. Insoweit müsste die Schaffung neuer Arbeitsplätze im größeren Umfang gleichzeitig auch entsprechenden Zuzug bedeuten. Im Bereich des Handels haben wir sicherlich in verschiedenen Sortimenten noch Lücken oder Schwächen, die können wir seitens der Stadt allerdings nicht füllen. Wir können nur dazu beitragen, die Stadt insgesamt attraktiv zu erhalten, attraktiv sowohl für die Geschäfte als auch für die Wohnbevölkerung als auch für die vielen Wirtschaftszweige. Beispielsweise auch für den Tourismus, weil auf diesem Umweg auch die Nachfrage im Bereich von Handel und Dienstleistungen steigt.

Es breitet sich allgemein Unmut darüber aus, dass fleißige Politessen einkaufswillige Kunden mit Strafzetteln bombardieren, Wasserburg macht hier keine Ausnahme. 

Ich habe, offen gesagt, für die meisten dieser Beschwerden kein Verständnis. Es muss in Wasserburg kein einziger Mensch falsch parken. Der Gries ist fast völlig leer. Mit 300 oder 400 Metern Fußmarsch habe ich eine kostenlose Parkmöglichkeit. Ich habe mit 200 oder 300 Metern Fußmarsch einen billigen Parkplatz und ich habe unmittelbar vor den meisten Geschäften einen preiswerten Parkplatz. Also mehr kann nicht mehr geboten werden. Allerdings kann nur selten direkt vor der Ladentür geparkt werden. Ich habe die faulen Ausreden, die laufend auf meinem Schreibtisch landen, allmählich satt. Ich habe schon mal mit dem Ge- danken gespielt, jeweils die »Ausrede der Woche« zu veröffentlichen, damit der Öffentlichkeit bekannt würde, was hier oft für ein Zirkus aufgezogen wird wegen 10 Mark Verwarnungsgebühr. Was hier im Rathaus herumgetobt wird, obwohl man nachweislich falsch geparkt hat, oder, weil man zu faul war, eine Mark einzu- werfen. Und niemand sollte sich wundern, wenn auch einem meiner Mitarbeiter irgendwann einmal eine unpassende Antwort rausrutscht, wobei ich insoweit Wert darauf lege, dass die Bürger auch in solchen Fällen korrekt behandelt werden. Wenn ich aber erlebe, wie unsere Mitarbeiter von angesehenen Bürgern wegen 10 Mark behandelt werden, obwohl sie nachweislich im Unrecht sind, dann wundere ich mich, dass die sich nicht noch öfter entsprechend wehren. 

Im Vorfeld zu diesem Interview gab es auch immer wieder Hinweise darauf, dass Sie kein Verständnis für Kritik an Ihrer Person zulassen. Wie gehen Sie also mit Kritik um?

Ich bin dankbar für Kritik. Aber das sind nicht selten Ausreden, die aus mangelnder Informationsbereitschaft erwachsen. Ich erwarte von meinen Kritikern, dass sie informiert sind und nicht Vorurteile oder Vorgefasste Meinungen mit Kritik verwechseln. Wer kritisiert, sollte sich vorher die Zeit und die Mühe nehmen, sich selber über den kritikwürdigen Sachverhalt zu informieren. Man hat mir beispielsweise vorgeworfen, dass ich in der Bürgerversammlung Monologe halte. Dabei habe ich bewusst in den letzten fünf Bürgerversammlungen nie länger als maximal eine dreiviertel Stunde gesprochen, wobei ich der Meinung bin, dass der Bürger in der Bürgerversammlung Anspruch darauf hat, zu erfahren, was in der Stadt los ist und was von Seiten der Verwaltung zukünftig vorgesehen ist. In Stadtratssitzungen geht ja keiner, woher sollte er also sonst seine Informationen beziehen? In unserer Zeitung erscheinen Beiträge seit sechs Jahren leider nur vorgefiltert, oft einseitig polarisiert. Ich muss doch die Möglichkeit haben, zum Beispiel in einer Bürgerversammlung absehbare Entwicklungen im Zusammenhang darzustellen. Die anschließende Diskussion kann sich bis zu zwei Stunden ausdehnen. Worin besteht also der Monolog. Diesen Schuh ziehe ich mir nicht mehr an. Ich bin für Kritik sehr dankbar, doch erwarte ich von dem, der kritisiert, dass er sich wenigstens um Informationen bemüht. Allerdings muss er es sich gefallen lassen, dass ich meine Position erläutere. Ich sehe meine Aufgabe auch darin, dass ich Ideen und Vorschläge von mir aus einbringe und dann erwarte, dass sie diskutiert und nicht so gesehen werden, dass gegen diesen Vorschlag sofort ein Gegenvorschlag aufgebaut werden muss. Natürlich kann jeder jederzeit einen Vorschlag machen, der diskutiert und zur Entscheidung gestellt wird. Ich habe da gar keine Probleme. Wenn ein anderer Eindruck entsteht, kann ich das leider nicht ändern.

Welchen Stellenwert hat für Sie Umweltschutz?

Damit mache ich zwar keine Reklame, weil ich ihn für zu wichtig halte, aber ich glaube, dass ich auch praktisch einiges leiste, auch mit dem Einsatz privater Mittel und nicht nur von Amts wegen. Es wird wenig Städte geben, in denen man, auch dank eines sehr kompetenten Stadtrates, so viel in dieser Richtung macht, wie in Wasserburg. 

Wie lange arbeiten Sie täglich?

Schlecht zu sagen. Ich erfasse meine Arbeitszeit genauso wie alle Mitarbeiter im Rathaus. Am Jahresende habe ich zwischen 200 und 500 Über- stunden, wobei der Urlaub nicht mitgerechnet wird, der ja auch noch zur Hälfte verfällt und natürlich die Zeit, die ich dienstlich außerhalb des Rathauses verbringe. 

Ein Blick in die Zukunft: Wie lange planen Sie, Ihr Amt noch zu führen?

Zunächst bin ich für die nächsten sechs Jahre gewählt, danach sehen wir weiter.

Gibt es noch etwas anderes, das Sie reizen würde?

Ja schon, aber das werde ich Ihnen nicht sagen. Ich habe Gelegenheit, gelegentlich in dieser Richtung tätig zu sein.

Sie werden in diesem Jahr 59. Wird da eigentlich anderes außer Karriere wichtig, wenn man älter wird?

Karriere war für mich eigentlich nie wichtig, sonst wäre ich nicht in diesem Amt, sondern irgendwann zu einer politischen Partei gestoßen. Sicherlich aber hätte ich auch in meinem Beruf etwas erreicht.

Wie groß ist der berufliche Anteil an Ihrem Leben, was machen Sie mit der übrigen Zeit?

Meine Zeit ist nahezu ausgefüllt. Ich widme mich ab und zu noch ein wenig der Literatur, versuche Bergtouren zu machen, leiste in der Land- und Forst- wirtschaft, sozusagen unter freiem Himmel, auch etwas praktische Arbeit.

Wie sehen Sie die heutige Jugend? 

Auch nicht anders als die frühere. 

Ein paar Worte zum Rassismus?

Ich habe das eigentlich nie verstanden. Ich habe im Dritten Reich noch einiges sehr bewusst miterlebt. Ich kann die Ansätze nur historisch erklären und muss sie zur Kenntnis nehmen. Vor allem verstehe ich nicht, dass diese Art von Rassismus auch von jungen Leuten praktiziert wird. Ich weiß nicht, woher die ihre Vorurteile oder ihre Voreingenommenheit haben. Was ich für problematisch ansehe ist, dass manche nicht zugeben wollen, dass wir ein Einwanderungsland sind. Wir sind es meiner Meinung nach zweifelsfrei und müssen deshalb die Konsequenz ziehen und ein klares Einwanderungsgesetz erlassen, damit man die Probleme in den Griff bekommt. Wir können die Entwicklung nicht einfach sich selbst überlassen. Und wir sollten dafür sorgen, dass Einwanderer auch tatsächlich als Einwanderer kommen und nicht über den Umweg als Asylbewerber, die oft Wirtschaftsflüchtlinge sind und damit Asylrecht und Asylbedürftige kritisieren. Das muss geregelt werden. Kanada, USA, Australien, alle Einwanderungsländer haben dieses Problem jahrzehntelang und jahrhundertelang gehabt und bewältigt.

Dr. Geiger, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin den berühmten Funken Glück für alle beruflichen und privaten Pläne.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG