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CHRISTIAN FICHTL

Bürgermeister   
Edition: Prien am Chiemsee 2002

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Die Kommunalwahl 2002 bescherte den Priener Bürgern einen neuen Bürgermeister. Die Mehrheit der Wähler schenkte Christian Fichtl das Vertrauen. Wie er die Zukunft der Marktgemeinde sieht, erklärt er der STADTBROSCHÜRE in diesem Interview.

 

Herr Fichtl, gehen wir gleich ins Detail: Sie konnten sich mit den Problemen Priens in den vergangenen Monaten eingehend beschäftigen, wie sehen Sie die Zukunft des Ortes?

Trotz der derzeitig allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage sehe ich die Zukunft unserer Marktgemeinde sehr positiv. Ich begründe das damit, dass vor allem die Infrastruktur des Standortes Prien stimmt. Wir verfügen hier über sämtliche notwendigen Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und zuständigen Verwaltungsbehörden, das Angebot an Freizeitmöglichkeiten und Kultureinrichtungen ist sehr abwechslungsreich, der Chiemsee und die nahe gelegene Bergwelt eröffnen zahlreiche weitere Möglichkeiten. Unsere Verkehrsanbindungen, sei es die Bahn oder die Autobahn, sind ganz hervorragend und somit kann ich schon behaupten, dass Prien eine hohe Lebensqualität zu bieten hat. Mein Blick in die Zukunft ist deshalb auch sehr zuversichtlich.

Die rot-grünen Arbeitsmarkterfolge waren eher mager und werden auch jetzt nach der Wahl nicht besser werden. Was werden Sie unternehmen, um die Beschäftigungsquote in Prien zukünftig möglichst hoch zu halten?

Die Präsenz zahlreicher Mittelstandsbetriebe festigt unseren Arbeitsmarkt und wir haben das Logistikkompetenzzentrum. Diese »Denkfabrik« gibt zukunftsfähigen und -orientierten Firmen eine Chance und wir hoffen, dass die dort sich entwickelnden Unternehmen auch zukünftig der Region Prien erhalten bleiben, irgendwann in eigene Betriebsstätten übersiedeln und damit auch weitere Arbeitsplätze entstehen. Bei unserer Suche nach neuen Betrieben ist zu beachten, dass wir Firmen benötigen, die keinen großen Flächenbedarf haben, die umweltfreundlich arbeiten, aber doch ausreichend qualifizierte Arbeitsplätze schaffen. So etwas findet man vor allem im IT-Bereich.

Der derzeit auch krankt.

Im Moment krankt diese Branche zwar auch, aber letztendlich wird sie wohl eine bedeutende Rolle in unserer Zukunft spielen. Und wieder muss ich da unser Logistikkompetenzzentrum erwähnen, weil diese Einrichtung geradezu ideale Voraussetzungen für uns bietet, auch im touristischen Bereich 

Was bedeutet das konkret?

Durch die Schaffung neuer Rahmenbedingungen sowie die Erweiterung unseres touristischen Angebotes könnten wir dem Gast Prien auch in anderen Monaten interessant und attraktiv gestalten. Eine attraktivere Nebensaison, zum Beispiel mit einem erweiterten Tagungs- und Kulturangebot, würde die Gästezahlen erhöhen, ohne die drei Spitzenmonate im Sommer noch stärker zu belasten. In Zusammenarbeit mit dem Logistikkompetenzzentrum bieten sich sicherlich Möglichkeiten, unsere Tagungsszene zu erweitern. Was in Prien außerdem fehlt, ist ein familienfreundliches Appartementhotel.

Haben Sie feststellen müssen, dass sich die Ziele doch nicht so schnell umsetzen lassen?

Sicherlich ist es so, dass man gerne alles auf einmal positiv verändern möchte, aber es gibt schon Dinge wie beispielsweise unser Verkehrsproblem, die nicht in den ersten Monaten einer Amtszeit zu beseitigen sind. Zum einen deshalb, weil dazu zahlreiche Planungen erforderlich sind, zum anderen weil im Moment auch die Finanzierung sehr schwierig geworden ist. Jedenfalls arbeiten wir mit Nachdruck daran, genauso wie an den verschiedenen Lösungen zur Entlastung unserer hochwasserbedrohten Gebiete. Die Hochwasserkatastrophe im vergangenen August hat uns auch getroffen und zusätzlichen finanziellen Aufwand beschert. Ich werde jedenfalls auch hier alle Hebel in Bewegung setzen, weil Sicherheit ein Grundbedürfnis der Bürger ist, das jetzt wieder an erster Stelle steht. Ich hoffe auf schnelle Lösungen, damit sich so etwas nicht mehr wiederholt und habe zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt bereits einiges in die Wege geleitet.

Eingefahrene Strukturen aufzuweichen gehört dazu, wenn man in einer Verwaltung etwas Neues bewerkstelligen will?

Wenn sich diese Frage auf unsere Mitarbeiter hier im Rathaus bezieht, so sehe ich da keine Probleme. Unsere Verwaltung ist besetzt mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern, die zielorientiert und bürgerfreundlich arbeiten. Dass man aber den Service für die Bürger mittels neuer Ideen immer wieder etwas verbessern kann, ist auch nichts neues.

Ist die Gemeindekasse noch gut gefüllt, oder hat sich die schlechte wirtschaftliche Lage auch hier auf die Gewerbesteuer ausgewirkt?

Es dürfte allgemein bekannt sein, dass viele Kommunen derzeit zu kämpfen haben, deshalb haben viele Orte auch eine Haushaltssperre verfügt. Unser Haushalt ist auch nicht gerade rosig, aber die Lage ist nicht hoffnungslos. Jedenfalls brauchen wir derzeit keine Haushaltssperre und auch offensichtlich keinen Nachtragshaushalt.

Mit ihrer Flut von Vorschriften, Gesetzen und Verordnungen stellen sich die Deutschen selbst ins Abseits. Innovation und Kreativität bleiben dabei auf der Strecke. Sehen Sie das auch so?

Da gebe ich Ihnen grundsätzlich Recht. Der Unternehmer müsste sich mehr auf seinen Pioniergeist konzentrieren können und sich nicht mit Paragraphen herumschlagen, die ihn nicht weiter bringen.

Der Einzelhandel krankt mittlerweile bundesweit, die Folge des Verdrängungswettbewerbs. Eine Tatsache, die auch in Prien nicht spurlos vorüber gegangen ist. Wie sehen Sie die Zukunft der Einzelhändler am Ort, wie können Sie hier helfen?

Den Verdrängungswettbewerb direkt zu beeinflussen, ist uns gar nicht möglich, sehe ich auch nicht als unsere Aufgabe an, schließlich haben wir eine freie Marktwirtschaft. Ich sehe aber die Zukunft der Einzelhändler positiv, wenn sich die vorher genannten Rahmenbedingungen ergänzen ließen. Wir als Kommune sind bestrebt, alle Maßnahmen in dieser Richtung abzustimmen und soweit möglich, auch zu unterstützen. Dazu gehört beispielsweise die Verschönerung des Marktplatzes, aber auch an anderen wichtigen Punkten Priens muss etwas getan werden. Im Moment erstellen wir diesbezüglich eine Bestandsaufnahme. Grundsätzlich verfolgen wir angesichts der schwierigen Haushaltslage momentan eine Politik der kleinen, finanzierbaren Schritte und jedes noch so kleine Projekt ist ein weiterer Mosaikstein zur Vervollständigung unseres Gesamtbildes. An den vor uns liegenden Advents-Samstagen haben wir in Prien beispielsweise kostenfreies Parken beschlossen sowie eine kostenlose Kinderbetreuung für all die Kunden, die in dieser Zeit hier einkaufen gehen. Oberstes Ziel all unserer Planungen ist die Stärkung der Attraktivität Priens als Einkaufszentrum. Dazu sind langfristig Flanierzonen und verkehrsberuhigte Bereiche im Gespräch, aber es versteht sich von selbst, dass viele Projekte natürlich auch nur mit finanzieller Hilfe des Staates realisierbar sind, alleine können wir das nicht bewerkstelligen.

Was fehlt Ihrer Meinung nach, wo sehen Sie Chancen für Jungunternehmer?

Chancen für Jungunternehmer sehe ich zum Beispiel im Bereich Gesundheit und Wellness. Das ist eine so genannte Zukunftsbranche, gerade weil sich die Altersstruktur ändern wird.

Vielleicht den Fahrradtourismus noch ausbauen?

Ja, auch das ist ein zunehmender Wirtschaftsfaktor, den man durchaus ins Auge fassen sollte.

Hand aufs Herz. Was gefällt Ihnen an Prien überhaupt nicht, was wollen Sie unbedingt noch ändern?

Ich möchte beispielsweise die Verkehrssituation, aber auch das Hochwasserrisiko in den Griff bekommen.

Axel Springer hat einmal gesagt: Politiker versprechen einem alles, bis sie an der Macht sind. Danach vergessen sie’s.

Sagen wir mal so: Meteorologen und Politiker haben eine Tendenz, Dinge zu Versprechen die sie dann nicht halten können. Deshalb rede ich auch immer von Zielen, die es zu erreichen gilt.

Weil endgültige Ergebnisse auch von vielen Einflüssen abhängig sind?

Ziele vorzugeben halte ich für besser als Versprechen abzugeben, die man dann möglicherweise nicht halten kann.

Sie stammen aus der freien Wirtschaft, was haben Sie vorher gemacht?

Ich war Personalkaufmann bei der Firma Marco Polo in Stephanskirchen.

Viele Bürgermeisterkollegen sehen ihre Stadtverwaltung zunehmend als Dienstleistungsunternehmen. Was halten Sie von einem Bürgerbüro?

Den Bürgern die mit mir sprechen möchten, biete ich individuelle Gespräche an. Eine Gemeindeverwaltung sehe ich im übrigen auch als ein Dienstleistungsunternehmen, wobei ich gerne einen Schritt weiter gehe und das ganze Rathaus eigentlich als Bürgerbüro mit kompetenten Fachbereichen sehe. Es hat sich in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass die Bürger meistens so spezielle Fragen haben, dass man schon einen fachlich versierten Ansprechpartner braucht. Was nützt es dem Bürger, wenn er wieder weitergeschickt werden muss, Manche Dinge gehen ja auch in persönliche Bereiche hinein, und schon aus datenschutzrechtlichen Gründen können die in einem Bürgerbüro oft gar nicht zufrieden stellend gelöst werden. Am besten man informiert sich vorab telefonisch, vereinbart kurz einen Termin und hat dann kompetente Gesprächspartner vor sich.

Wenn ein junger Mensch auf Sie zukäme und würde nach dem Rezept einer glücklichen und gesicherten Zukunft fragen, was würden Sie ihm raten?

Ein Patentrezept kann ich wohl niemanden geben. Ich würde ihm allerdings raten, sich bildungsmäßig optimal auf seine Zukunft vorzubereiten. Unserer Jugend steht meiner Meinung nach in der Zukunft alles offen, allerdings wird die berufliche Qualifikation zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Wer sich das als Maßstab nimmt, kann auch positiv in die Zukunft schauen.

Die Mehrheit der Wähler sind, auf Bundesebene gesehen, die Frauen. Was macht die Politiker für Frauen interessant?

Ich denke, dass sich Frauen einfach allgemein mehr für die Politik interessieren als früher, mehr mitreden wollen und auch sollen. Ich halte das für eine sehr gute Entwicklung und denke, dass Frauen Politik einfach auch spannend finden.

Und die Ergebnisse, die Frauen in den letzten Jahren durch erhöhtes Interesse an der Politik erzielt haben, sind ja nicht von der Hand zu weisen. Da hat sich doch einiges ergeben.

Das ist völlig richtig, ja. 

Herr Fichtl, welches Buch hätten Sie gern geschrieben?

Das Buch »Der Alchimist« von Paulo Coelho.

Welches Talent hätten Sie gern?

Ich möchte gerne ein ausgezeichneter Bürgermeister für Prien sein.

Ihr schönster beruflicher Höhenflug?

War mit Sicherheit die Wahl zum Bürgermeister von Prien.

Und ein Höhenflug privater Natur?

Als ich meine Frau kennen gelernt habe. 

Was würden Sie für die Liebe opfern?

Alles was die Liebe zu meiner Frau angeht und zu meiner Familie, ist für mich unantastbar.

Welcher Sportart haben Sie sich zugewandt?

Früher habe ich Volleyball in einer Mannschaft gespielt, aber im Moment bin ich sportlich natürlich nicht mehr so engagiert, weil mir einfach die Zeit fehlt. Ich habe übrigens auch mal aktiv Regatten gesegelt.

Welchen Wunsch würden Sie sich gern erfüllen?

Ich wünsche mir, Politik und Familie optimal unter einen Hut zu bringen. 

Wie viele Legislaturperioden haben Sie sich denn vorgenommen?

Das wird die Zukunft zeigen.

Herr Fichtl, besten Dank für dieses Gespräch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG