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EIN SCHLUCK SÜDEN...


Edition: Traunstein 2012

   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Vier Kurzinterviews als Liebeserklärung an all die „Traunsteiner“ Italiener, die uns mit mediterranem Lifestyle und schönem Toskana Feeling ­verwöhnen

Nach wie vor zählt Bayern zu den wohl beliebtesten Bundesländern, in denen sich Italiener niederlassen und eine neue Existenz aufbauen. Das gilt auch für Traunstein. Die Menschen aus „Bella Italia“ prägen mit ihrer Lebensart das Stadtbild, verwöhnen uns mit Spezialitäten der italienischen Küche oder aus dem Bereich der Feinkost, servieren uns ihre typischen Eiskreationen und überraschen uns mit Einkaufstipps für italienische Mode. Verleger Ralf Hansen besuchte einige davon und unterhielt sich mit ihnen.

„Wir empfinden das Zusammensein am gedeckten Tisch als wahre Momente des Glücks.“
GIUseppe Calafato, Inhaber der Feinkost-Adresse
„Signora Maria“, stammt aus Palma di Montechiaro

Herr Calafato, in der Regel beneidet man Sie darum, in einem der schönsten Länder der Welt geboren zu sein. Was hat Sie nach Traunstein verschlagen?
Ich bin vor etwa 17 Jahren nach Deutschland gekommen, habe zunächst als Barkeeper, später dann auch als Koch in der Münchner Tennis Academy des ehemaligen deutschen Davis-Cup-Kapitäns Niki Pilic gearbeitet. Danach machte ich meinen ersten Schritt in die Selbständigkeit und eröffnete eine Pizzeria in Giesing, wo ich später dann auch meine Frau, die aus Traunstein stammt, kennen lernte. Natürlich sind wir damals auch ab und zu nach Traunstein gefahren, um Verwandte zu besuchen. Nachdem das Lokal in Giesing wieder verkauft wurde, sind wir dann hierher gezogen und haben uns erst einmal in aller Ruhe umgesehen und Pläne geschmiedet. Irgendwann hatten wir dann die Idee zu unserem „Pirandello“, einer Pizzeria am Karl-Theodor-Platz, die auch gut ­besucht war. Leider hatte ich dann einen folgenschweren Unfall der mich dazu zwang, das Lokal wieder zu schließen. Es folgten viele Monate der Genesung, wobei der Wunsch, mich wieder selbständig zu machen, immer größer wurde. So entstand das „Mercatino“ am Taubenmarkt, dessen Namen wir vor kurzem in „Signora Maria“ umgewandelt haben.
Warum diese Namensänderung?
Wir wollten uns besser unterscheiden von anderen Anbietern, deren Philosophie wir nicht teilen. 
Welche Philosophie meinen Sie?
Wir hier im „Signora Maria“ lieben qualitativ hochwertige Lebensmittel, wir lieben deren Tradition und Geschichte sowie die Menschen, die sie herstellen. Wir beziehen unsere Ware direkt von kontrollierten Herstellern, die uns gleich bleibend gute Qualität bieten, und nicht von irgendeinem Großhändler. Denen kann ich dann auch erklären, auf was es meinen Kunden in Deutschland ankommt. Gut zu essen, dafür sind wir Italiener bekannt, bringt die Menschen näher. Wir haben es auch nicht verlernt, das Zusammensein am gedeckten Tisch als Momente wahren Glücks zu empfinden. Das ist ein Teil italienischer Kultur und Teil meiner Philosophie.
Ihre Pläne für die Zukunft?
Zusammen mit meinem Partner Mirco Burci habe ich ein zweites „Signora Maria“ in Ulm eröffnet, direkt vor dem weltbekannten Münster, jetzt folgt ein drittes in München, danach sehen wir ­weiter.
Was schätzen Sie an Traunstein?
Die Stadt versprüht einen gemütlichen Charme und ich habe das Glück, einen Laden genau dort zu haben, wo Traunstein am italienischsten ist.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Was für eine Frage. Natürlich auf meine Frau.
Werden Sie irgendwann wieder zurückkehren?
Nein, sicher nicht. Ich habe hier in Traunstein alles, was mich rundum glücklich macht.
Gibt es etwas, was Sie an Italien vermissen?
Manchmal vermisse ich ein wenig das schönere Wetter, die Gelassenheit sowie die „Entdramatisierung“ des Lebens, sehr viel mehr aber den Umgang mit meiner Sprache. Ich bin eben doch Italiener und unterhalte mich gerne mal in meiner Landessprache. Grazie!

 

„Ich empfehle aus meiner Speisenkarte Escalope de Porcini - Kalbsmedaillons mit einer Steinpilzsoße.“
Eva Guglielmi mit Sohn Marco, Inhaberin des „Gargano“,
des ältesten italienischen Lokals des Landkreises

Frau Guglielmi, Sie sind zwar Traunsteinerin, wirken aber sehr italienisch. Woran liegt’s?
An der Urgroßmutter mütterlicherseits, die aus ­Sizilien stammte und als Zimmermädchen für den Grafen Arco tätig war. Da Sie ein uneheliches Kind erwartete, floh Sie nach Berchtesgaden, wo sie dann ein Mädchen gebar, dass sie einem Bauern auf dem Obersalzberg vor die Türe legte. Das war dann später meine Oma. Die Urgroßmutter floh dann nach Salzburg, wurde dort von einem ­Münchner Künstler entdeckt, der sie auch porträtierte. Das Bild heißt „Die schöne Münchnerin“ und hängt heute noch in der Pinakothek.
Lockt bei einem Besuch Ihres Ristorantes aus jedem von uns eine unterschwellige Sehnsucht nach Italien hervor, oder geht es den Gästen „nur“ ums gute Essen?
Ich denke, es geht den Gästen in erster Linie ums Essen, sicherlich verbinden Sie die Atmosphäre aber auch mit ihren Urlaubserinnerungen.
Worin liegt der Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Mentalität?
Sie werden jetzt meinen, dass die italienische Mentalität völlig konträr ist zur deutschen. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass da kein großer Unterschied besteht. Vielleicht nehmen die Italiener alles ein wenig leichter. Das war es dann aber auch schon.
Ihr Wunsch für die Zukunft?
Dass mir meine Gäste erhalten bleiben und das alles so bleibt wie es ist - vielleicht noch ein kleines bisschen besser.
Eine besondere Empfehlung aus Ihrer Karte?
Escalope de Porcini - Kalbsmedaillons mit einer Steinpilzsoße. Esse ich auch selbst sehr gerne.
Das Gargano soll das älteste italienische Restaurant des Landkreises sein. Stimmt’s?
Ja, das stimmt tatsächlich. Ganz früher hieß die Wirtschaft "Bodenwirt", seit 1975 ist es ein italienisches Restaurant. Die ersten italienischen Pächter waren die Brunetto-Brüder, danach wurde es von Pino Perez übernommen, anschließend von Ricardo Guglielmi, meinem Schwager. Das Haus selbst befand sich im Besitz meiner Großmutter, so lernte ich auch meinen Mann Domenico Guglielmi kennen, mit dem ich das Gargano von 1980 bis 1990 das erste mal führte. Danach war es 18 Jahre lang verpachtet, bis ich es dann wieder selbst übernahm, weil zwei meiner Kinder den Wunsch äußerten, ebenfalls in die Gastronomie einsteigen zu wollen.
Das leidige Thema „Ausländerfeindlichkeit“ kommt in Bezug auf Bürger Italiens gar nicht zum Tragen. Sind „unsere“ Italiener schon eingedeutscht?
Eingedeutscht wohl eher nicht, weil da doch ein großer Nationalstolz besteht. Aber meiner Meinung nach wird speziell durch die Medien häufig ein falsches Bild über das Leben und Verhalten der Ausländer in Deutschland übermittelt. Zu viele Menschen lassen sich dadurch beeinflussen. Dem kann man nur durch Verständigung zwischen den verschiedenen Kulturen entgegenwirken. Sich mehr mit ausländischen Mitbürgern auseinanderzusetzen würde da helfen. 
Prominente Gäste Ihres Restaurants?
Minister Ramsauer, Heiner Lauterbach, Ralf Rangnick, die Huber-Buam, Claudia Koreck und ­natürlich Stefan Mross.

„Italiener haben die Fähigkeit, jeder Frau das Gefühl zu geben, eine Kostbarkeit zu sein.“
Pier Luca Reffo, Inhaber der Eisdielen „Cortina“, „Venezia“ und „San Marco“

Herr Reffo, Italien rühmt sich häufig damit, einst das Speiseeis erfunden zu haben.
Richtig. Eis gilt als eine typisch italienische Spezialität, erfunden wurde die kalte Köstlichkeit wohl aber in Asien. Bereits 500 vor Christus sollen die Chinesen Schnee von Berggipfeln mit Fruchtsaft vermischt und geschleckt haben. Auch die griechische Oberschicht fand früh Gefallen an Süßspeisen aus Schnee, vermengt mit Honig und Fruchtsaft oder Wein. Es waren ­jedoch wir Italiener, die die Kunst der Eisherstellung dann in Europa vorangetrieben haben und zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Deutschland brachten.
Was ist das Besondere an italienischem Eis?
Die Zutaten, die traditionellen Rezepte, die täglich frische Zubereitung sorgen für den besonderen Geschmack. Egal, um welche Eissorte es sich handelt - den Unterschied zwischen industriell hergestelltem Eis und unserem handwerklichen Erzeugnis bemerkt jeder aufmerksame Genießer. Kleiner Insider-Tipp von mir: Einen Gelatiere sollte man am Vormittag so gut wie nie in der Eisdiele stehen sehen, denn da sollte er mit der Zubereitung beschäftigt sein.
Was halten Sie von den eher exotischen Eissorten, wie zum Beispiel Gemüseeis.
Na ja, eher nichts natürlich. Oder läuft Ihnen bei dem Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen? Wohl eher nicht. Wir haben es auch schon mal mit Weißbier- und Proseccoeis probiert. Aber das sind alles Rezepturen, die einer Modeerscheinung folgen und morgen wieder verschwinden. Nachhaltig ist nur die Tradition, und die pflege ich in all meinen Eisdielen.
Erzählen Sie mir etwas über Ihre Idee, nach Traunstein zu ziehen?
Die Idee, nach Deutschland zu ziehen und ein Eiscafé zu eröffnen, ist für viele Bürger meiner Heimatregion Friaul schon Tradition. Mit dem Gedanken wird man bereits in jungen Jahren konfrontiert und irgendwann habe auch ich ihn umgesetzt. In Traunstein bin ich jetzt seit April 1997, habe hier zunächst zusammen mit meinem ehemaligen Chef als Partner das Venezia am Bahnhof eröffnet, später machte ich dann alleine weiter, kaufte erst das Eiscafé San Marco, danach dann noch die Traditionseisdiele Cortina. 
Werden Sie irgendwann zurückkehren?
Ja, aber das dauert noch eine Weile.
Was vermissen Sie hier am meisten?
Ich lebe ja hier mit meiner Frau und meinem Kind, somit ist das Heimweh nicht allzu groß. Aber es gibt Zeiten, da vermisse ich schon meine ­Familie und meine Freunde. Dann setzen wir uns schon mal ins Auto und fahren für einen oder zwei Tage nach Hause.
Wie gestaltet sich der Kontakt mit Landsleuten?
Die meisten von uns arbeiten in der Gastronomie, somit haben wir allesamt relativ wenig Freizeit und kaum Zeit, große Freundschaften zu pflegen. Wenn man sich trifft, redet man über ­dieses und jenes, man pflegt die Muttersprache, trinkt zusammen einen Espresso. Das war’s.
Wodurch unterscheiden sich italienische Männer von deutschen?
Wir Italiener haben die Fähigkeit, jeder Frau das Gefühl zu geben, eine Kostbarkeit zu sein.

„Ich fühle mich wohl hier in Traunstein!“ 
Giuliano Pinna, inhaber der Pizzeria „Der
Italiener“, stammt aus Cagliari auf Sardinen und lebt seit 22 Jahren in Traunstein

Herr Pinna, Sie sind Pizzabäcker aus Leidenschaft, wie muss eine gute Pizza zubereitet sein?
Mit sehr viel Liebe und zubereitet von einem Italiener. Nur der hat den Geschmack in der Zunge, um die richtigen Zutaten zu wählen.
Aus welcher Gegend Italiens stammen Sie?
Ich bin Sarde und komme aus Cagliari.
Gibt’s ab und zu Heimweh nach Sardinien?
Nein, Heimweh verspüre ich nicht. Ich fühle mich wohl hier in Traunstein.
Was hat Sie dazu bewogen, in Deutschland Fuß zu fassen?
Ich wollte mich verändern, Neues erleben und natürlich auch Geld verdienen.
Ihre Stationen in Deutschland?
Zunächst arbeitete ich in Kiel, dann ging es nach Frankfurt, später dann nach Berlin und letztendlich landete ich in Traunstein. Hier habe ich in den verschiedensten Betrieben gearbeitet, wie zum Beispiel im „Il Camino“, im „La Lupa“, auch schon mal im „Gargano“ sowie im Eiscafé „Venezia“. Vor drei Jahren fasste ich dann den Entschluss, mich selbständig zu machen. Damals nannte ich meine Pizzeria „Il Nuraghe“, dann habe ich sie umgetauft in „Zum Italiener“. 

Worüber können Sie sich freuen, was ärgert Sie?
Ich mag die Traunsteiner Bürger, freue mich, wenn ich mit Ihnen ins Gespräch komme. ­„Ärgern“ wäre etwas zu viel gesagt, aber ich sorge mich um die jungen Leute hier. Viele verlassen die Stadt, weil sie ihnen zu wenig Abwechslung bietet. Früher war das besser.
Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen Italienern und Deutschen hier in Traunstein?
Wer sich der deutschen Mentalität anpasst und sich an die Regeln hält, der kann das Verhältnis nur als „sehr positiv“ betrachten. All zu großen Unterschied gibt es ja auch nicht. Wir Italiener haben eben nur eine andere Kultur.
Wem würden Sie gerne mal eine Pizza servieren?
Den Spielern des FC Bayern München.
Selbständigkeit trägt immer auch finanzielle und wirtschaftliche Risiken, hinzu kommt ein enormes Arbeitspensum. Würden Sie Ihr Engagement wiederholen?
Nein, ich würde es nicht noch einmal wagen. In Zeiten wie diesen hat es ein Selbstständiger nicht so gut, wie mancher glauben mag. Natürlich hat man die Chance, als selbständiger Unternehmer auch gutes Geld zu verdienen. Aber es besteht eben nur die Chance, eine Garantie gibt es nicht. Ein paar Monate läuft das Geschäft gut, dann gibt es wieder einen Umsatzeinbruch und man muss zusehen, wie man über die Runden kommt. Die Zahl der Restaurantbesuche hat sich meiner Erfahrung nach in den letzten zehn Jahren halbiert. Mir geht es gut, ich möchte auch nicht jammern, aber wenn man die reale Arbeits-zeit betrachtet, da hat es ein Angestellter wesentlich besser. Der hat auch seinen Lohn immer pünktlich, ein Selbstständiger nicht. 
Verraten Sie mir einen Wunsch?
Früher war Deutschland erfolgreicher, auch für uns Italiener. Viele haben ihr Land verlassen, hier ihr Glück gesucht und auch gefunden, und irgendwann konnte man sich dann in der Heimat auch ein kleines Haus bauen. Heute ist das nicht mehr möglich. Aber das wäre mein Wunsch.

     
 © 2012 RALF HANSEN STADTBROSCHÜRENVERLAG